Mittwoch, 31. Dezember 2008

CCM wünscht einen guten Rutsch ins neue Jahr!


Zum Skifahren mag man im Anzug vielleicht etwas overdressed sein; für Neujahr ist der graue Flanellanzug aber sicher die richtige Wahl - und da sich das neue Jahr mittlerweile in ganz großen Schritten nähert, wünschen wir der treuen Leserschaft des CCM-Blogs einen guten und vor allem auch gutgekleideten Start in das neue Jahr, ganz gleich auf welcher Piste!

Montag, 29. Dezember 2008

Worte der Weisheit III. Zum Jahreswechsel: von den Aborigines.


"The more you know, the less you need"

Dieser weise Spruch der Ureinwohner Australiens sollte uns in jeder Hinsicht als Leitgedanke für das kommende Jahr dienen. Ohne allzu philosophisch zu werden, möchte ich diesen Satz auch für sartoriale Überlegungen an ganz vordere Stelle setzen.
Umfassendes Wissen
(The more you know,...)
um Fragen der Bekleidung, um die Lehren von den Proportionen und Farben bewahrt uns vor Fehlkäufen und vor Fehlentscheidungen beim täglichen Ritual des Anziehens. (...the less you need)
Nichts spricht dagegen - wenn man es sich leisten kann und leisten will - eine umfangreiche Garderobe zu haben. Mit dem entsprechenden Grundwissen ist es jedoch sehr einfach, diese Garderobe auf wenige Stücke zu reduzieren, die aber durch ihre sorgfältige Wahl die Persönlichkeit des Trägers aufs Vorteilhafteste unterstreichen und durch ihre Wertigkeit und ihre damit verbundene einfache Pflege und Handhabe ein großes Plus an Lebensqualität in unseren Alltag bringen. Wir wollen - oder müssen - jeden Tag unser Bestes geben und uns von unserer besten Seite zeigen. Das sollte Freude bereiten aber keinen Stress.
Der weise Spruch
"Je mehr man weiß, desto weniger braucht man"
kann uns dabei sehr helfen.

In diesem Sinne wünsche ich den Lesern von "Camlots Custom Made - Der Blog" ein

ERFOLGREICHES und GLÜCKLICHES JAHR 2009 !

Servus,
CAMLOT

Sonntag, 21. Dezember 2008

Herrenjournal XI: Die Silhouette des Reisenden

"'Wir fliegen 90 Minuten', so ähnlich etwa enden tagtäglich die Begrüßungsworte, die die hübschen Stewardessen an die Fluggäste richten, die es sich schon in der Maschine zu einem Start über 500 km oder mehr bequem gemacht haben. Gerade, daß man die freundlichst offerierte Zeitung durchstudiert und das Imbißtablett zurückgegeben hat, da leuchtet auch bereits die Anweisung auf, sich wieder zum Landen anzuschnallen. Lohnt es sich da, für eine solche Reise überhaupt, die Anzugsfrage zu ventilieren? Es gibt keinen Staub, man kann sich nicht schmutzig machen, die Kabine ist wohltemperiert, und man ist ja nur so kurze Zeit in der Luft, daß sich - den Mantel hat man ohnehin in der Flugzeuggarderobe abgegeben - Falten im Anzug, falls man ihn wirklich verknüllt haben sollte, sofort wieder aushängen.

Besonders gern wird man bei dem Reisesakko von der Mode der schrägen Seitentaschen Gebrauch machen, denen sich heute auch die Billettasche in der Richtung anpaßt. An die Stelle der Leistentasche tritt dann auch die Flaptasche - Reist man im eigenen Wagen, dann kann man sich in der Kleidung natürlich alle Freiheiten erlauben, die man für bequem hält, eine halbärmelige Buschjacke, sogar auch Shorts, und statt des Langbinders eine legere Schalkrawatte - Für alle Fälle aber wird man auch eine Wollweste bei sich haben, und was den Popelinemantel anbetrifft, so ist es praktisch, wenn er eine Billettasche hat.



So gibt es im Grunde genommen für den modernen Reisenden eigentlich keinerlei Anlaß, bei seiner Kleidung auf irgendwelche praktischen Erfahrungen Rücksicht nehmen zu müssen, wie es die ältere Generation noch für ganz selbstverständlich gehalten. Jene Zeit, wo Halbschuhe als unzweckmäßig angesehen wurden, weil der Ruß der fahrenden Lokomotive sich durch den Strumpf durchfressen konnte und man infolgedessen Stiefeletten empfahl, oder als diese aus der Mode gekommen waren, Gamaschen. Und wo man all die langen Stunden im Coupé die Handschuhe nicht auszuziehen wagte, da Fenster und Türgriffe von Station zu Staion immer mehr von der Reisepatina überzogen waren. So daß man sich natürlich auch bei dem Anzug selbst mimikriartig darauf einstellen mußte, durch Pfeffer- und Salzstoffe ebenso wie durch gedeckte Hemden. Ganz abgesehen von den anderen Ansprüchen, die sich ergaben, wenn man eine lange Fahrt vor sich hatte, auf der man, um gelegentlich eine kleine Siesta einschieben zu können, die Reisemütze für unerläßlich hielt, und was den Mantel anbetraf, seine Taschen gar nicht weiträumig genug haben konnte, damit er das zu fassen vermochte, was man - von den leckeren Sandwiches bis zur dickbändigen Lektüre - gern jederzeit zur Hand haben wollte, ohne erst umständlich mit dem 'Suitecase' hin und her jonglieren zu müssen.

Von dieser Romantik, zu der natürlich auch das schottische Plaid gehörte, ist nun durch die Nivellierung des Reise-Anzugs viel verlorengegangen. Immerhin aber halten sich routinierte Reisende hier auch heute an diesen und jenen Tip.
Da sind vor allen Dingen, unabhängig von ihrer modischen Wertung, die schrägen Seitentaschen, deren praktischen Sinn man immer mehr zu schätzen weiß. Nur selten bleibt ja der Platz neben einem frei, und wenn man da in enger Tuchfühlung sitzt und sich nicht so recht rühren kann, ist es immer unbequem, wenn man in regulären Seitentaschen etwas suchen muß. Auch auf die äußere Billettasche wird man nicht gern verzichten wollen, denn für kleine Scheidemünzen und Tabletten braucht man sie ja wirklich, auh wenn man in der großen Tasche das übliche Sonderfach hat. Sehr zu statten kommt einem dann weiter, wenn die rechte innere Brusttasche durch Reißverschluß gesichert werden kann, damit es grundsätzlich ausgeschlossen ist, daß einem die Brieftasche mit Fahrschein und Ausweispapieren abhanden kommt. Diese Forderung sollte endlich einmal von Maßschneiderei und Bekleidungsindustrie generell befolgt werden, wobei zu beachten wäre, daß die Tiefe der Tasche mindestens 18 cm betragen muß. Sonst kann man die Brieftasche nicht restlos verschwinden lassen und auch die Anbringung eines Reißverschlusses wäre dann sinnlos.
Nachdem man nun wieder Westen trägt, sollte man jetzt ferner die Gelegenheit wieder wahrnehmen, auch hier innere Brusttaschen anbringen zu lassen und zwar mit zuknöpfbarer Klappe. Denn sie können einem als Safe für ein paar Reservebanknoten gute dienste leisten. Bei dieser Gelegenheit sei auch wieder einmal auf die Tattersallweste aufmerksam gemacht, weil sie ganz besonders gut den Reisestil trifft und man sich mit ihr auch bei einem korrekt gearbeiteten Anzug diesem Milieu meist ohne weiteres anpassen kann, Das wird vornehmlich für die Gesellschaftsreisen im Autobus gelten, wo man ja im allgemeinen nur ein beschränktes Gepäck mitnehmen kann. Da könnte es nämlich durchaus der Fall sein, daß man die sportlichere Garnitur einpackt, weil sie eher zerdrückt werden kann, und daß man infolgedessen unterwegs den städtischen Anzug trägt.


Bei jeder Art von Reisen ist es wichtig, daß man - auch bei enger Tuchfühlung - bequem an den Inhalt seiner Taschen herankommt. Infolgedessen setzen sich hier mehr und mehr jene 'Sandwichtaschen' durch, bei denen die oberen Taschen einen schrägen durch Reißverschluß geschützten Eingriff haben - Ist man aus irgendeinem Grunde genötigt, in einem seriösen Anzug zu reisen, so kann man sich trotzdem dem Reisemilieu dadurch anpassen, daß man ihn durch eine Pepitaweste ergänzt - Für dieSommermonate gilt als besonders geeigneter Reisemantel der durchgeknöpfte imprägnierte Tweedraglan - Da das Mitführen eines Hutkoffers den meisten Herren heute zu umständlich erscheint, ist es am praktischsten, wenn man sich einen Schnittrandhut mit hochgestelltem Rand aufsetzt, der ebenso zur Reisebekleidung paßt wie auch zum korrekten Anzug.

Die wenigsten Sorgen braucht man sich heute eigentlich aber in der Mantelfrage zu machen. Von den Popeline- und Gabardinemänteln - gleichviel für welches Modell man sich hier entscheidet - wird sie nämlich restlos gelöst. Denn gerade für die Reisezeit sind sie mit ihren ausknöpfbaren, warmen Futtern zu einem Standardtyp von hohen Graden geworden. Aber auch hier kann man von einer persönlichen Reisenote, wie sie früher gewissermaßen der karierte voluminöse Ulster besaß, nicht reden. Genau so zeigt man sich ja auch in den Straßen der Großstadt.
Nur wer im eigenen Wagen fährt, kann wohl auch einmal nach eigener Fasson sein Reisehabit zusammenstellen, sich in einer Buschjacke mit halben Ärmeln ans Steuer setzen und selbst sogar nur in Shorts, da er ja auf niemanden Rücksicht zu nehmen braucht."
(c) Herrenjournal 1951


Donnerstag, 18. Dezember 2008

Harry, hol' den Wagen. Zum letzten Geleit.

Mit Horst Tappert ist einer der letzten großen deutschen Schauspieler der „Alten Garde“ verstorben. Tappert spielte in vielen Filmen und Bühnenstücken die Hauptrolle, so auch in dem Dreiteiler „Die Gentlemen bitten zur Kasse“. Die Rolle seines Lebens aber war die des Oberinspektors „Derrick“. Als Spätberufener - er war 51, als er die Nachfolge von Erik Ode ( "Der Kommissar" ) antrat - gelangte er zu Weltruhm, sogar in China saßen bis zu 500 Millionen (!) vor den TV-Schirmen, wenn Derrick ermittelte. Wohl kaum ein anderer wäre in der Lage gewesen, diese Rolle so auszufüllen wie der stets korrekt gekleidete Horst Tappert, der auch privat in diesem Stil gekleidet war und somit ein weltweit präsentes Aushängeschild des innereuropäischen Dresscodes für den "eleganten Herren" im Sinne des "Herrenjournals" war, dessen Mode-Essays sich ja rotfadenartig durch diesen Blog ziehen.

Camlot hat zu dem Kleidungsstil, den Tappert repräsentierte, einmal geschrieben:

"Derrick / Tappert ist ein exzellentes Beispiel für den Stil, den das hier in letzter Zeit häufig erwähnte "Herrenjournal" für vorbildlich und tadellos erklärte.
Damit ist er auch ein Aushängeschild für den innereuropäischen Stil.
Es gab ganz bestimmte Regeln, die von der Nachkriegszeit bis Ende der 1970er als unausgesprochene deutsch/österreichische "Dress-Codes" galten.
Dazu gehörten "Gesetze" wie: kein Blau zu Grün, kein Braun zu Schwarz, braune Schuhe nur zu braunen Anzügen oder Sportkleidung, Stecktuch gleich wie Krawatte oder rein Weiß, niemals als Bausch eingesteckt sondern immer penibel gefaltet, mehrfarbige Krawatte nur auf einfärbigem Hemd, zu gestreiftem Hemd nur einfärbige Krawatte, karierte Hemden nur zu Sportbekleidung, u.s.f.
Zugegeben, für Lässigkeit war da wenig Raum.
Der vorbildlich gekleidete Innereuropäer wirkte vielmehr immer ein wenig pedant und steif, wie sein Vorreiter, der Rittmeister Eelking himself.
Dafür bot dieser Stil viel Möglichkeiten für Sprezzatura und ein etwas breiter gestreiftes Hemd galt bereits als wahnsinnig extravagant."

Wir wollen des großen Schauspielers und „Dressers“ Tappert mit einigen Bildern noch einmal gedenken:







Samstag, 13. Dezember 2008

Das Maßmodell I


"links: Das vornehme Tailleurkostüm für die Stadt ist aus pastellfarbenem Gabardine gearbeitet und hat elegante lange Revers. Sofern es nicht auf einen Knopf gearbeitet wird, der dann etwas unterhalb der Taille liegt, ist deshalb der obere Knopf überrollt. Ziemlich obligativ ist jetzt hier die Brusttasche, da man sie heute gerne zur Akzentuierung benutzt.

rechts: Von demselben Gedankenwie beim Einreiher mit Einknopffront geht man auch bei diesem Zweireiher aus, um ihm schon im Schnitt ein besonders sommerliches Aussehen zu geben. Er wird ebenfalls - in Höhe des Tascheneinschnittes - nur mit einem Knopf geschlossen, und mann unterstreicht dies durch eine klare Trapezstellung.


links: Der moderne Campusstil des Herrn - Tweedjackett kombiniert mit Flanell- oder Gabardinebeinkleid wird im sportlichen oder ländlichen Milieu und im Gebirge ziemlich ähnlich auch von der eleganten Frau übernommen. Vorgezogen wird hier gegenwärtig die hochgeschlossene Front. Der Kragen kann durch die sogenannte Golflasche zugeknöpft werden.
rechts: Im Gegensatz zum Campusstil wird der Knickerbockeranzug stets aus einheitlichem Material gefertigt. Man wählt hier auch keine Norfolkfassons, die - eine echte Laune der Mode - heute mehr den langen Beinkleidern vorbehalten sind, sondern einen unkomplizierten Stil, schlichte, meist jedoch schräge Taschen und unbedingt lange Schlitze."
(c) Herrenjournal 1951

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Herrenjournal X: Blau für den Interimssakko

"Wenn man mit seiner Garderobe für alle Gelegenheiten gerüstet sein will, dann ergibt sich immer wieder, daß man unbedingt einen Anzug braucht, der zwischen dem üblichen Tagessakko und dem Abenddreß rangiert, einen Anzug also, der zurückhaltend in Farbe und Dessin ist. Diesen Anspruch erfüllt am besten natürlich der schwarze Sakko. Mit silbergrauem Langbinder macht man mit ihm eine gute Figur bei Konferenzen, und mit schwarzer Krawatte hat man ihn ihm einen richtigen Anzug bei Trauerfällen. Gibt man ihm aber eine diskrete Schleife, dann ist er wie geschaffen für kleine Tänzereien oder Theaterabende, für die der Smoking aus irgendeinem Grunde zu anspruchsvoll ist.
Aber mit diesem schwarzen Sakko hat es einen Haken. Man hat doch im allgemeinen zu wenig Verwendung für ihn. Und so ist er an sich eine kostspielige Angelegenheit. Fast gar nicht kann man ihn ja für die Tagesarbeit benutzen. Ganz sicher wird man dann nämlich immer wieder gefragt: "Was haben Sie denn heute vor?" Und tatsächlich hat man in diesem offiziellen Anzug zu den Lasten, die einem der Tag auferlegt, zuviel Distanz, so daß die Arbeit in ihm meist nicht flott genug von der Hand geht.
So kommt man also für diese Verwendung auch jetzt erneut zurück auf den dunkelblauen Sakko, da er eigentlich überall den Platz einnehmen kann, den die Mode an sich für den schwarzen Sakko bestimmt hat. Denn er ist diesem überlegen, weil er sich auch durchaus mit farbenfreudigem Beiwerk kombinieren läßt, so daß er dann in keiner Weise mehr einen offiziellen Eindruck macht und man ihn infolgedessen wie jeden anderen Tagessakko verwenden kann.
Wie oft hat die Mode schon versucht, für den "Interimssakko" irgendeinen anderen Vorschlag zu machen. Aber nach kurzer Zeit schon hat sie dann stets ihre Idee wieder aufgegeben. Jedenfalls hat in diese Mission weder der graue Anzug restlos befriedigt noch der braune. Jener nicht, weil man ihn zu dunkel wählen müßte, wodurch er leicht das Aussehen eines Altherrenanzugs bekommt, dieser aber nicht, weil er selbst im Havannaton für Abendveranstaltungen doch noch zu farbig ist. Bei dem marineblauen Sakko aber wird man diesen Einwand nicht erheben, denn er sticht in der Farbe ja kaum ab von dem Mitternachtston der Smokings (s. Abbildung)."


(c) Herrenjournal 1951

Sonntag, 7. Dezember 2008

Worte der Weisheit II. Heute von: Coco Chanel


Über Mode:
"Mode ist nicht allein eine Frage der Kleidung. Mode hat etwas mit Ideen zu tun, damit, wie wir leben."

Über wertvollen Schmuck:
"Wer will sein Geld schon am Hals hängen haben?"

Über Farben:
"Farben sind etwas Wunderschönes. Aber viele Menschen machen sich verrückt mit Gedanken über Farben. Man sollte mit Schwarz und Weiß beginnen."

Über Wertbeständigkeit von Kleidern:
"Ich bin gegen Mode, die vergänglich ist. Kleidung wegzuwerfen, nur weil ein anderes Jahr gekommen ist, finde ich schrecklich."

Über Einfachheit in der Garderobe:
"Ein paar wirklich gute Stücke genügen. Man sollte nicht viel Zeit mit Anziehen oder auch nur dem Nachdenken darüber verschwenden."

Sonntag, 30. November 2008

Die Rückkehr des Pinguins


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Daß White-Tie / Frack ein Revival erleben ist offensichtlich.
Überlebte der Pinguin bislang mehr oder weniger in unseren Breiten durch den Dresscode des Wiener Opernballs, so gibt es immer mehr Veranstaltungen wie zB. die Grazer Opern-Redoute , auf denen es opportun erscheint, sich als Herr im Frack zu zeigen.
War man über viele Jahre dabei auf die Dienste eines Maßschneiders oder den Kostümverleih angewiesen, so ist die vermehrte Lagerhaltung von Langschößigen sogar in den Abteilungen besserer Kaufhäuser ein untrüglicher Beweis für die Nachfrage nach solcher Kleidung.
Wenn es dann auch noch im TV publik gemacht ist, dann stehen die Weichen gut für ein Revival.
So geschehen gestern im Finale der Supertalente-Show von RTL.
An Mißglücktheit in der Vermittlung von True White-Tie Style war die Botschaft jedoch kaum zu überbieten :
Da machte der unnötige Zweitmoderator, dessen Namen ich mir mangels Notwendigkeit nicht gemerkt habe, mehrmals auf seinen Anzug aufmerksam, den er auch noch tatsächlich als Frack bezeichnete. Leider wird ihm das ein großer Teil des Publikums sogar geglaubt haben.
Tatsächlich trug er ein unsägliches Etwas, mit einem Jäckchen, dessen Vorderteile um ebensoviel zu kurz waren wie die Rockschwänze zu lang.
Dazu trug er ein Irgendwiehemd mit lachhaftem Kläppchenkragen und einer schwarzen Schleife, womit er den Begriff White-Tie ad absurdum führte .
Krönung der Peinlichkeit war ein anstelle der obligaten Frackweste getragener Kummerbund, über dessen oberer Zusammengeschobenheit links und rechts um die Mitte des Herren das besagte Irgendwiehemd herausquoll.

Als zweite Peinlichkeit erschien dann noch der Sieger des Vorjahres, ein Tenor, bei dem weniger die Stimme als die Leibesfülle an Pavarotti sel. erinnerte in einem zwar von der Zusammenstellung korrekten Frack, der aber so schlecht gemacht war, daß der Eindruck entstand, es hinge dem Ärmsten das Hemd aus dem Hosenbund, tatsächlich war es die viel zu lange und viel zu weite weiße Piqueeweste, die ellenbreit unter dem viel zu kurzen und zu engen Frackoberteil herunterhing.

"Gesellige" Konversationszeilen wie die geschmacklose Äußerung "Wir beide im Frack. Bei dir kommt der aber echt fett rüber..." vom Kommentator im Pseudofrack zum mehr als stattlichen Sänger bestätigen, daß man sich den Namen dieses "Stimmungsmachers" wirklich nicht zu merken braucht .

Werbung für den Frack als "herr-lichsten" aller Abendanzüge für den Herren war es allemal, ein guter Dienst zur Arterhaltung des echten Pinguins hingegen ganz und gar nicht.

Man muß sich die Frage stellen, wer berät solche Menschen, bevor man sie auf die Bühne schickt und vor ein Millionenpublikum zuhause vor den Bildschirmen?
Vielleicht hätte man sich an den als Jury-Mitglied agierenden Model-Trainer und Show-Choreographen Bruce Darnell wenden sollen. Der Ex-Dressman erschien als einziger an der Front korrekt und für seinen Typ vorteilhaft gekleidet im eleganten dunklen Anzug mit blütenweißem Hemd und schlichter, dunkler Solid Tie.

Um nicht als Ewiggestriger mißverstanden zu werden: Neuerungen in der Mode sind wünschenswert. Sie sollten aber besser und kleidsamer sein als Althergebrachtes.

Sonntag, 23. November 2008

Worte der Weisheit I . Heute von : Giorgio Armani


"Luxus im Kleidungsstil springt nicht ins Auge. Er kommt durch Material, Farbe und Proportionen - Dinge, die unvergänglich sind."

"Was Stil von Mode unterscheidet, ist die Qualität."

"Übertreibungen sind immer falsch."

"Ein Jacket sollte so gut und bequem gemacht sein, dass man sich darin so wohl fühlt wie in einer alten Strickjacke."

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Die Sakkotypen des Frühjahrs III: Der Büroanzug

"Abgesehen von einem möglichst unauffälligen Dessin, das es gestattet, mit Hemd- und Krawattenmuster ohne Komplikationen zu operieren und hier immer wieder für Abwechslung zu sorgen, sind für den Anzug, den man als Büroanzug nominieren könnte, folgende beide Faktoren von Bedeutung: Hat man nicht gerade einen Beruf, in dem man "à quatre épingle" angezogen sein muß, dann wird man für den Arbeitstag meist dem zwanglosen Anzugsstil den Vorzug geben vor den allzu korrekten Modellen. Also kein Promenaden- oder Teeanzug in der Art des eleganten Zweiknopfsakkos mit hohem steigendem Revers oder tiefgeschnittener zweireihiger Weste. Und dann ist es auch nicht gerade sehr bequem, wenn man an seinem Schreibtisch mit einem Zweireiher sitzt. Denn, wenn man nicht will, daß sich bei ihm in der Magengegend häßliche Querfalten einnisten, muß man ihn immer wieder aufknöpfen, wenn man sich mal erhoben hatte; immer daran zu denken, fällt manchem aber recht lästig. So ist denn der Einreiher mit dem solide fallenden Revers hier die passende Anzugsgattung.


Keineswegs braucht nun aber ds Modell simpel zu sein. Die neue Saison stellt diesmal sogar eine Form mit hochmodischen Akzenten heraus, basierend auf dem "Edwardian-Style", der überdies den Vorzug hat, daß seine charakteristischen Eigenschaften zugleich auch praktisch sind. Dies gilt von der nur oben geschlossenen Front ebenso wie von den beim Sitzen bequemen schrägen Taschen, auf die sich aus diesem Grunde ja auch die Reiter festgelegt haben.

Und schließlich sind auch die um die Jahrhundertwende üblichen und heute wieder populär werdenden Ärmelaufschläge nicht ganz ohne Sinn, denn man kann sie schnel als "Mementa" verwenden, wenn man sich eine Notiz gemacht hat, die man nicht verlegen möchte.

Den Stil der Jahrhundertwende aufnehmend auch wieder Kragennadel, teils bei Windsorform, Pendantmöglichkeiten bei Krawatte und Strumpf. Neben Camber (Model Wegener) und Snaphrim (Modell Rockel) auch Melone. Da fallende Revers: Fullbrogues zulässig.


Bei diesem Sakko hat man es denn auch mit dem Beiwerk insofern verhältnismäßig leicht, als man bei einem Modell dieser Art kaum irgendwelche Einschränkungen zu machen braucht. Gegen den gesteiften weißen Kragen läßt sich hier ebensowenig einwenden wie gegen ein farbiges Hemd mit Nadelkragen. Auch Krawatte, Taschentuch und Strümpfe können ebenso diskret als auch auf Farben eingestellt sein. Und neben den verschiedenen Hutformen bringt sich gerade hier auch die Melone wieder in Erinnerung, weil auch sie ihre Blüteperiode in der Zeit Edwards VII. hatte. Womit dieser Anzug beweist, daß er bei so verschiedenen Zusammenstellungen auch noch eine Qualifikation für allerlei andere Gelegenheiten besitzt."

Sonntag, 26. Oktober 2008

Herrenjournal IX: Überall neues Interesse für Grün

"Nur durch Übertreibungen kommen Moden zu Fall. Und so ist es auch mit Grün gewesen. Nach dem ersten Weltkrieg war es einmal Favoritenfarbe gewesen, vielfach mit lila Streifen durchsetzt, auf die sich dann in Bischofs- oder Auberginetönen die Krawatten eingestellt. Jeder wollte sich damals gern mit einer ähnlichen Zusammenstellung zeigen. Und das hatte dann natürlich zum Resultat, daß jene, die in der Mode den Ton angaben, von diesem Experiment sehr bald wieder abließen.

Die Herrenmode war in jener Zeit eben noch nicht reif für Farben, die von der üblichen Basis so weit abrücken. Erst als der kombinierte Sportanzug sich endgültig durchgesetzt und man sich für ihn von Saison zu Saison nach immer neuen Paarungen für Jackett und Beinkleid umsah, gab man diesen konservativen Standpunkt allmählich auf. Aber auch jetzt noch immer mit einer gewissen Reserve dem Grün gegenüber. Denn in den Modeateliers hatte man es noch in Erinnerung, daß man vor Jahren auf den grünen Stoffen sitzen geblieben war.


Nicht noch einmal wollte man dieses Risiko eingehen, und so stieß jede Initiative der Industrie und des Großhandels, die hier von Zeit zu Zeit, der Auslandsmode entsprechend, für die grünen Farben unternommen wurde, auf ein Veto der Abnehmer.

Inzwischen ist nun eine neue Generation herangewachsen, die von den alten Vorurteilen nichts mehr weiß, aus dem Sportmilieu heraus in modischen Dingen sehr viel mutiger denkt und dabei vor allem auch Freude an schönen Farben hat. So ist denn neuerdings auch die ehemals vorhandene ängstliche Abneigung gegen grüne Töne jetzt völlig verschwunden. In allen Kollektionen ist das zu erkennen. Angefangen bei den Anzugsstoffen über das Beiwerk jeder Art bis zu den Garbardines für Regenraglan und Trenchcoat.

Das größte Interesse an den neuen Chancen für Grün nimmt man naturgemäß bei dem Campusstil. Weder bei den Glenchecks noch bei den Fischgratstoffen oder den diagonalgerippten Tweeds geht man da an dieser Farbe vorüber, ebensowenig wie bei den Glenchecks oder den neuen, breiten Bandstreifen. Und das Grün tritt dann dabei bald flächig auf, bald auch nur in den Effekten, so daß tatsächlich jede Monotonie vermieden wird. Ganz abgesehen auch davon, daß es hier selbstverständlich allerlei farbliche Abstufungen gibt, vom zarten Malachitgrün über das schon klassisch gewordene Lovatgrün bis zum neuen bläulich schimmernden Guatemalagrün.

So lassen sich denn hier allerlei recht abwechslungsreiche Zusammenstellungen schaffen, so daß man der grünen Note keineswegs so leicht überdrüssig wird. Zu achten hat man nur darauf, daß, wenn in einer Zusammenstellung grüne Töne zwei- oder gar dreimal auftreten, diese sich nicht unmittelbar berühren und immer irgendwie durch eine eingeschobene Farbe neutralisiert werden. Denn es wäre zuviel des Guten, würde man etwa ein moosgrünes Jackett nun noch mit einer resedagrünen Hose kombinieren oder einen efeufarbenen Pullover mit einem olivegrünen Hemd. Etwas anders präsentiert sich da die Verbindung zwischen einer akzenthaft wirkenden Taxuskrawatte mit einem Hemd, das zwar durch grüne Streifen oder ebensolche Karos gleichfalls diese Mode mitmacht, das Dessin aber auf einem grauen, weißen oder champagnerfarbenen Grund zeigt.

Darüber hinaus aber läßt sich auch gerade hier sehr gut mit dem Pendantgedanken operieren. Denn es wird immer einen sehr gepflegten Eindruck machen, wenn man - bei einem grauen Flanellanzug etwa - eine grüne Krawatte durch gleichfarbene Socken ergänzt oder passend zum Filz des Hutes die Kante des Taschentuches hält. Auch Hut und Krawatte kann man im gleichen Sinne aufeinander abstimmen, ja, hier in diese Entente möglicherweise sogar noch den Strumpf mit einbeziehen. Wobei dann allerdings das Maximum an Wiederholung der Farbe erreicht ist."

(c) Herrenjournal 4/1950

Samstag, 18. Oktober 2008

Die Sakkotypen des Frühjahrs II: Der Stadtzweireiher

Während bei den einreihigen Anzügen die Meinungsverschiedenheiten darüber noch weiter bestehen, ob der formlosen amerikanischen Silhouette mit den Hängeschultern oder dem englisch orientierten Stil mit den strengen Konturen der Vorzug gegeben werden soll - in der Debatte hierüber ist es im übrigen kürzlich sogar in den USA zu einem "Unentschieden" gekommen - scheidet diese Frage bei dem zweireihigen Sakko eigentlich so gut wie ganz aus. Mit seiner doppelten Knopffront, die ja immer etwas an der Taillenbetonung interessiert ist, verträgt sich eben die saloppe amerikanische Auffassung nicht. So ist es denn nicht verwunderlich, daß bei dem Zweireiher, nachdem hier eine Zeitlang die Tiefknopfstellung der Yankees den Ton angegeben, sich allmählich wieder der englische Geschmack durchsetzt. Die Knopfreihen machen nun also vorwiegend Halt in Höhe des Tascheneinschnittes, und dabei überwiegt dann sogar die Standardform, bei der nur der mittlere Knopf geschlossen wird, ohne daß sich deswegen aber die Reverslänge verkürzt, da man den Kragen verhältnismäßig kurz hält. Neben dem hochangesetzten Revers sind es dann noch die zur Zeit hier fast unerläßliche Billettasche und die langen Seitenschlitze, die den Zweireiher trotz der konservativen Schablone zu einem Modell up to date machen.


Beim Beiwerk fällt das come back des weißen, oft gerundeten steifen Kragens auf, auch zum pastellfarbenen Hemd. Hut im Homburgstil, dementsprechend ruhige Krawatte, etwa Medaillondessins, sowie seriöse Strümpfe; bei schwarzem Hut auch schwarze Schuhe.

Eine gewisse Veränderung erfährt dieser Anzugstyp nun auch noch dadurch, daß man be ihm weit weniger als bisher prägnante Streifen sehen wird, sondern kleine Figuren, die aber mit farbigen Effekten - sogar als Fensterkaros - kombiniert sind. Die Grundtendenz bleibt deswegen sogar bei diesem Sakkotyp seriös. Das Ausland stellt ihn darum auch ausdrücklich als "Aprés-midi-Anzug" heraus. Was dann wieder ganz bestimmte Hinweise für das Beiwerk ergibt. Am auffälligsten ist dabei die Rückker des weißen gesteiften Kragens, auf den man insofern noch besonders aufmerksam wird, als er hier neuerdings mit abgerundeten Ecken auftritt und vielfach aufgeknöpft auf ein pastellfarbenes Hemd. Das gibt eine sehr distinguierte Kombination, der man bei der Krawatte am besten durch abgesetzte Figuren oder Medaillons gerecht wird. Ein heruntergeklappter Hut hat dabei dann natürlich nichts zu suchen, denn in diesem Ensemble hat ein Recht allein die moderne Camberform, zum Teil in Mitternachtsblau und dann mit schwarzen Halbschuhen.



Montag, 13. Oktober 2008

Herrenjournal VIII: Der Gesellschaftssakko für den Tag und Abend

"Bei einem ausländischen Konsul fand sich kürzlich um die Teestunde eine kleine auserlesene Gesellschaft zusammen. Im Nebenzimmer waren schon die Bridgetische aufgeschlagen, und nach dem lezten Robber wurde noch einmal auf Serviertischen ein kaltes Buffet hereingerollt. Unter den Herren aber entspann sich jetzt eine angeregte Diskussion über das Thema: "Wer hat nun eigentlich von uns den richtigen Anzug an?" Denn da waren vertreten: Ein brauner und ein dunkelblauer Zweireiher, ein einreihiger Marengo-Sakko mit grauem Beinkleid und sogar ein Smoking.
Der Herr mit der Cuthose berief sich darauf, daß er nicht angenommen habe, die Einladung würde sich auch noch auf einen Abendimbiß erstrecken. Der Südländer rechtfertigte sein Dinnerjackett damit, daß ja schon die Lichter gebrannt hätten, als er auf die Hausklingel gedrückt habe. Die Herren im Zweireiher aber nahmen den Standpunkt ein, daß für solche Parties, deren Ende man vorher nie genau abzuschätzen weiß, weder gesellschaftliche Tages-Sakko in Betracht käme noch ein offizieller Abendanzug, durch den man möglicherweise die Gastgeber leicht in Verlegenheit bringen könnte. Für sie war darum der dunkle einheitliche Sakko, ergänzt durch eine diskret gemusterte Schleife, der einzig richtige Anzug für eine Gelegenheit dieser Art. Und man ließ sich denn auch von ihnen überzeugen.
Für den Sakko mit gesellschaftlichem Charakter gibt es aber heute noch eine ganze Anzahl von anderen Verwendungsmöglichkeiten, und so ist er jetzt zweifellos zu einem wichtigen Bestandteil in der Garderobe des Herrn geworden.
Über seinen Stil aber herren noch immer mancherlei Meinungsverschiedenheiten, so daß hier einmal einige Fragen geklärt werden müssen.

Zunächst folgendes: Der Gesellschaftssakko soll ja ebenso am Tage an Stelle des Cuts wie am Abend als Smokingersatz verwendet werden. Verlangt man nun von einem Anzug, daß er beiden Situationen gerecht wird, dann gibt es hier gar keine andere Lösung als die, Jackett und Beinkleid aus gleichem Stoff zu fertigen. Denn die graue Hose ist am Abend immer deplaciert, genau so wie der Cut selbst; andererseits aber geht es bei gesellschaftlichen Tagesveranstaltungen auch einmal ohne graues Beinkleid. Die Fasson des Sakkos - ob einreihig oder zweireihig - hat demgegenüber nur geringe Bedeutung. Will man jedoch bei dieser Anzugsgattung deutlich einen Trennungsstrich machen zwischen Tages- und Abendkleidung, dann stehen sich hier folgende Modelle gegenüber: Bis zum Nachmittag der Einreiher - natürlich mit steigendem Revers -, kombiniert durch das graue Beinkleid. Und für den Tagesausklang der komplette Zweireiher mit Tiefknopfstellung, wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem Schnitt des modernen Smokings.




Dazu wäre im einzelnen noch folgendes zu sagen: Die Mode ist augenblicklich zwart wieder sehr an der zweireihigen Phantasieweste interessiert, dennoch sollte zum einreihigen Gesellschafts-Sakko, da man sich nicht überall einen so prononcierten Akzent leisten kann, stets auch eine Weste aus gleichem Material wie das Jackett mitbestellt werden. In der Regel wird diese Weste wohl ebenfalls eine einreihige Fasson haben und dann nach der letzten Parole mit drei Knöpfen sichtbar sein, da man sich in diesem Fall an die nur zweiknöpfige Sakkofront hält. Mit dem gestreiften Beinkleid zusammen gibt das dann eine distinguierte, wenn auch sehr ruhige Kombination. Eleganter wirkt dieser einreihige Vertreter des Cuts allerdings, wenn man ihn durch eine zweireihige Weste ergänzt. Ihr muß man aber, will man die zweireihige Sakkofront beibehalten, schon einen recht breiten und langen Umschlag im englischen Geschmack geben, damit die Front nicht zu viel Überschneidungen zeigt. Auch wenn diese Weste aus dem Sakkostoff gearbeitet wird, macht sie einen sehr individuellen Eindruck. Wählt man aber für sie ein helles Material - heute Sandfarben mehr bevorzugt als Grau -, dann läßt sich auf diese Weise auch der Einreiher mit gleicher Hose als ausgesprochener Gesellschafts-Sakko verwenden. Mit dem grauen Beinkleid zusammen, für das in diesem Fall Unis und Glenchecks bevorzugt werden, hat man aber natürlich auch in dem zweireihigen Sakko einen vollwertigen offiziellen Tagesanzug. Woraus sich ergibt, daß auch hier entschieden am ratsamsten die Anschaffung eines zweireihigen Anzugs ist, den man dann gegebenfalls durch eine Phantasieweste oder ein Cutbeinkleid noch intensiver als Tagessakko herausstellen kann.

Allerlei Variationen gibt es da dann noch für das Beiwerk. Hat der Sakko die Mission des Cuts, so ist ihm nämlich für das Hemd auch ein pastellfarbener Ton - etwa ein Lachs - oder sogar eine Brust mit Querstreifen erlaubt, bei den Kragen aber rangiert am Tage wie am Abend der zwanglose Umlegekragen in der modernen Kentform gleichberechtigt neben dem korrekteren Klappenmodell, zu dem man aber den Langbinder vermeidet. Ist dieser dagegen - bei einem Umlegekragen - am Tage mit im Spiel, dann werden heute hier hellgraue und nur wenig gemusterte Krawatten den dunklen Streifendessins entschieden vorgezogen, besonders wenn die Krawatte zur dunklen Weste getragen wird.

Die korrekte Ergänzung zu diesem Gesellschafts-Sakko bildet dann der schwarze weiche Filzhut, der hier immer mehr den so lange gültigen grauen Homburg abgelöst hat. In der bordierten Form gehört er natürlich nur zum Tages-Gesellschafts-Sakko, den man heute der Unterscheidung wegen als "Besuchsanzug" bezeichnet. Und so findet denn hier jetzt eigentlich mehr Verwendung der nicht eingefaßte schwarze Filz, der - als "Eden" bekannt geworden - für den Abend zum sogenannten "Partysakko" die allein richtige Fasson darstellt, und der sich überdies durch einen etwas breiteren Rand auch der gegenwärtigen Mode besser anpassen läßt."


(c) Herrenjournal 2/1950

Samstag, 11. Oktober 2008

Die Sakkotypen des Frühjahrs I: Der Stadteinreiher

Zwar hat vor kurzem erst der Herbst begonnen, aber da die Planung einer jeden vernünftigen Garderobe bzw. auch Neuanschaffung rechtzeitig geplant sein will, sollte man auch jetzt schon den einen oder anderen Gedanken an den Frühling verschwenden. So sieht es auch das Herrenjournal:

"Seit längerer Zeit gibt es zum erstenmal wieder bei den einreihigen Sakkos ein Modell, das insofern eine Sonderstellung einnimmt, als sein Aktionsradius verhältnismäßig begrenzt ist, denn diese Fasson ist vornehmlich für die Bannmeile der Großstadt bestimmt. Und zwar durch die korrekte Note, die diesem Sakko durch seine steigenden Revers zudiktiert wird. Der Anzug erhält durch diesen Schnitt einen Stil, der für das Beiwerk fast noch verpflichtender ist als beim Zweireiher, der sich, wenn er aus einem Cheviot gearbeitet wird, schließlich auch einmal zwanglosere Attribute wie etwa den Snapbrim leisten kann. So rangiert dieser Einreiher in gewisser Beziehung heute beinahe noch vor dem zweireihigen Anzug. Um so mehr, da man ihn hauptsächlich als Zweiknopfsakko arbeitet und er dann mit einer zweireihigen Weste oder einer Phantasieweste kombiniert wird, was seine Eleganz noch mehr unterstreicht.

Der seriöse Eindruck dieses Modells wird noch dadurch betont, daß man bei ihm alle prononcierten Muster vermeidet. Mit besonderer Vorliebe wendet man sich daher hier den Diagonalstoffen zu, die man dann besonders in Braun oder Grau wählt. In Dunkelblau oder in einem schwarzen Panamastoff hat dieses Modell aber geradezu festlichen Charakter, und es kann dann ebensogut als gesellschaftlicher Tagesanzug wie auch als kleiner Abendanzug - in diesem Fall natürlich mit Schleife - verwendet werden.


Der Stadteinreiher mit steigendem Revers bekommt eine besonders elegante Note durch die zweireihige Weste; Vielfach in Uni gehalten, belebt man diesen Anzug gern durch ein gestreiftes Hemd mit Querfront, das als Basis dienen kann für eine Krawatte mit Bandelierstreifen. Auch bei den Strümpfen empfehlen sich Streichen. Der steigenden Revers wegen nur Halfbrogues, keine Flügelkappen. Ebenso nur camberartige Hüte und kein Snab.

Die Exklusivität dieses Modells ist nun aber keineswegs ein Hinderunsgrund, es durch dekoratives oder farbiges Beiwerk zu ergänzen. Das trifft besonders für Hemd und Krawatte zu. Denn der ruhige Stoff, der heir zur Verarbeitung kommt, kann dies durchaus vertragen. So hält man sich hier, um keinen zu monotonen Eindruck zu machen, bei dem Hemd, zu dem natürlich ein Speerkragen gehört, an klassische Streifen - auf der Brust horizontal verlaufend - und bei den Krawatten meist an leuchtende Farben, unter Beschränkung auf ruhigen Fond.
Sofern der Sakko als Promenadenanzug getragen wird, können ihn natürlich - in harmonischer Beziehung zu Hemd und Krawatte - auch Strümpfe und Taschentuch diskret beleben. Und ausnahmsweise sogar auch einmal Handschuhe, wie bei allen Anzügen, die in der Klasse des Homburgstils rangieren und sich demzufolge also nur mit korrekten Hüten sehen lassen.


(c) Herrenjournal 4/1951

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Herrenjournal VII: Was gibt es heute für Revers?

1. Kerbrevers mit langem Aufschlag; 2. "Knizerevers" mit abbrechender Spiegelnaht; 3. Fallende Revers in der gestutzten Mayerlingform

"Die Frage der Revers - in den letzten Jahrzehnten durch die einreihige und zweireihige Schablone beinahe ganz unkompliziert -beginnt neuerdings wieder recht interessant zu werden. Fast wie in der Zeit zwischen Empire und Zweitem Kaiserreich, als sich die Phantasie zwischen Kragengrenze und Rockaufschlag in vielerlei Einschnittsformen auslebte. Denn schon gibt es heute bei den Revers für den sachverständigen Blick des Fachmannes wieder rund 20 Variationen.
Gegenüber der Biedermeierzeit sind diese aber nicht Produkte eines augenblicklichen Einfalls, der sie bald hier bald da verwendet, sondern in der Hauptsache aus stilistischen Erwägungen heraus geboren. Ganz unwillkürlich hat sich das ergeben, nachdem in den letzten Saisons besonders bei den Jacketts allerlei Fassons hinzugekommen sind, mit neuen Ansprüchen und Ideen, und man auf diese Weise die Details bei den einzelnen Anzugarten genauer präzisiert und gegeneinander abgregrenzt hat. Die Revers aber sind bei dieser Differenzierung eines der markantesten Mittel, denn die Skizzierung ihrer Fasson genügt bereits als Anhaltspunkt dafür, mit welcher Art Kleidungsstück man es zu tun hat. Wohlgemerkt, bei etwa zwanzig verschiedenen Reversformen.


4. Golfrevers mit angeschnittener Lasche; 5. Sliponrevers

Besonders interessant ist diese kleine Reversgrammatik jetzt dadurch geworden, daß es sich allmählich als zweckmäßig erwiesen hat, für die einzelnen Reversarten nach bestimmten Namen zu suchen, durch die man sie ohne weiteres voneinander unterscheiden kann. Und zwar ganz unabhängig von dem modischen Moment, das bei den Revers selbstverständlich auch häufig wechselt - hier beispielsweise bald "Kehlrevers", bald "Bogenrevers" propagiert - und das oft genug zum charateristischen Ausdruck einer Saison geworden ist. Bei den Stilfragen aber handelt es sich um mehr.


6. Transformable Revers; 7. Französisches Phantasierevers à la Danton für Jagdjacketts

Die hier entscheidet ja nicht ein vorübergehendes Modediktat über die Form, sondern eine teils aus praktischen, teils aus ästhetischen Ansprüchen entwickelte Logik, durch die man für die Revers zunächst zu einer Einteilung in fünf Gruppen kommt. Deutlich unterscheiden sich da voneinander: die fallenden Revers, die steigenden Revers, die transformablen Revers, die Zwitterrevers und die Phantasie- oder Spezialrevers. Und alle diese fünf Gruppen haben nun wieder ihre verschiedenen Variationen. Selbst die an sich so einfach konstruierten fallenden Revers.
Je nachdem nämlich ihre Kanten eckig verlaufen oder abgerundet sind, spricht man hier jetzt von Kerb- oder Kurvenrevers (in der Damenmode "Cupidorevers"), wobei man jene mehr für die längeren Formen, diese mehr für die höher geschlossenen Sakkos vorsieht. Daneben hat sich dann das nur in der Taille geschlossene Dreiknopfjackett auch noch die Rollrevers reserviert. Und nicht ganz unwichtig ist bei den fallenden Revers auch der Winkelgrad, in dem sich Kragen und Aufschlag treffen. Denn für die Mayerlingform, die man jetzt - als Resonanz gewissermaßen auf die transformablen Kragen des modernen Norfolks - hier und da bei dem Einreiher zu sehen bekommt, schneidet man die Reverskerbe mit Überlegung nicht, wie vorwiegend beim Zweiknopfsakko, rechtwinklig, sondern spitzwinklig ein, was dann auch den Verlauf der Spiegelnaht beeinflußt. Sie bildet nun hier nämlich nicht die gestreckte Fortsetzung des unteren Kerbschenkels, sondern ist im sogenannten "Knizerevers" nch oben umgebrochen.


8. Englische Phantasierevers für den Campusstil

Beim zweireihigen Revers ist für die stilistische Bewertung in erster Linie wesentlich, daß Kragen und Spitze des Aufschlags tadellos aneinander passen, ohne jeden Zwischenraum. Die Spitzen dürfen andererseits auch nicht zu weit über die Kragenbreite hinausgehen. Und was ihren Neigungswinkel anbetrifft, so entscheidet hierüber die Knopffront des Sakkos, der sich bei einer Trapezstellung wie beim Kentsakko natürlich auch eine prononciertere Tendenz für seine Reversspitzen leisten kann, wie bei einer Knopfstellung, deren Basis ein Rechteck ist. Sehr wesentlich ist hier schließlich aber auch noch die Lage des Einschnitts. Ist sie zu hoch, wirkt das Revers maniriert, ist sie zu tief, so verstößt das gegen die Technik. Denn einigermaßen wenigstens sollte auch hier der Grundsatz gewahrt werden, daß die Länge des Kragens, soweit man nicht zu Phantasieformen übergeht, eigentlich bestimmt wird von der Halsgrube. Sehr nachdrücklich beachtet werden muß diese Forderung jedenfalls von den sogenannten transformablen Revers, also von dem Ulsterrevers, dem torsoartigen Sliponrevers und neuerdings auch dem schlanken "Campusrevers", denn hier soll ja gegebenfalls der Kragen überall geschlossen werden können, und da wäre es nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern auch sinnlos, wenn der schließende Knopf infolge eines zu lang heruntergezogenen Kragens - wie man das häufig sieht - zu tief liegen würde. Das gilt auch für die POW-Revers, nämlich für die Revers des Tweedraglans in der Prince-of-Wales-Fasson, die sich, um vielseitiger verwendet werden zu können, zum einreihigen Schnitt Ulsterrevers zugelegt hat, in einer Zwitterform also, wie sie ähnlich auch für Revers des Ulsterpaletots üblich ist.


9. Bis zum Tascheneinschnitt laufende "Kentrevers"; 10. Steigende Revers in einreihiger Form (Cutrevers)

Denn um diesem Mantel eine Art Universalcharakter zu geben, dürfen seine Revers ja weder zu salopp noch zu elegant sein, weswegen man sie eben waagerecht einschneidet und den Aufschlag außerdem kaum über die Kragenbreite hinausgehen läßt. Das ist dann natürlich an sich eine Bastardfasson, aber da sie begründet ist, läßt man sie gelten. Ebenso wie jetzt ganz neuerdings die steigenden Revers beim einreihigen ungemusterten Tropical-Sakko mit aufgesetzten Taschen. Denn hier gilt es, einen Kompromiß zu schaffen zwischen sommerlicher Eleganz und dem farbenfreudigen, wenn auch undessinierten Beiwerk. Ein Fall allerdings, der schon in das Kapitel der Finessen gehört und ein bezeichnendes Beispiel dafür ist, daß man sich auch in der Herrenmode alles erlauben kann, wenn man es zu begründen vermag.


11. Ulsterrevers für zweireihige Mäntel; 12. Sogenannte P.O.W. Revers für einreihige Mäntel

Deshalb schreckt man denn bei den Revers jetzt auch keineswegs mehr von Phantasieformen zurück. Von ihnen aber profitieren natürlich nur die sportlichen Modelle, weil hier für die ungewohnten Konturen praktische Erwägungen maßgebend sind. Wie bei den Golfrevers mit der kleinen angeschnittenen Golflasche zum Hochschließen des Jacketts oder wie bei der modernen französischen Jagdjoppe, die ihrem sogenannten "Danton-Kragen" in einheitlichem Schnitt auch Reverscharakter gibt."


13. Waagerecht eingeschnittene Revers des Ulsterpaletots

c) Herrenjournal 2/1950


Sonntag, 5. Oktober 2008

Herrenjournal VI: Der Pendantgedanke in der Anzugszusammenstellung

"In seiner "Psychologie des eleganten Lebens" hat Balzac einmal den Grundsatz aufgestellt, daß es ein Zeichen von schlechtem Geschmack sei, wenn man in seinem Anzug mehr als zwei Farben zur Geltung kommen lasse. Das war zur Zeit des Bürgerkönigtums, und in der damaligen Zeit richtete man sich noch nach den Thesen der britischen Beaus, die so etwas wie eine asketische Eleganz gepredigt. Wie ein lapidares Gesetz hat man diese Auffassung länger als ein Säkulum befolgt. Und als man nach der Jahrhundertwende zum erstenmal dem modischen Beiwerk ein größeres Interesse entgegenbrachte, da mußte auch dieses sich ganz dem Balzacschen Axiom anpassen.

So kam damals ganz unwillkürlich der "Pendantgedanke" in die Herrenmode. Denn nachdem nun Hemd und Krawatte, Socken, Taschentuch und Schal nicht mehr auf die nivellierenden Töne angewiesen waren, ergab es sich von selbst, daß man sehr häufig wenigstens zwei dieser Attribute in derselben Farbe hielt, um ja nicht den Eindruck einer geschmacklosen Koloristik aufkommen zu lassen. Fast selbstverständlich war es nun für den gutangezogenen Mann geworden, daß er sich aus der Schublade, in der die Socken nach Farben geordnet waren, nur ein Paar herausnahm, das farblich mit der jeweiligen Tageskrawatte harmonierte, und ähnlich war es dann auch, als man den Oberhemden die Rolle des farbigen Akzents zugestand, und sich für sie nun nach Taschentüchern mit entsprechenden Kanten umsah.

Das waren so die elementarsten Anfänge der modischen Pendanttheorie. Inzwischen aber sind hier unter dem Einfluß der immer lebhafter werdenden Herrenkleidung die Kombinationsmöglichkeiten dieser Art wesentlich größer und dementsprechend diffiziler geworden.

Denn auch den Hüten steht ja jetzt eine ganz ansehnliche Farbskala zur Verfügung, immer häufigr stellt man nun Jackett und Beinkleid in verschiedenen Farben zusammen, eingeschaltet haben sich vielfach auch die Pullover, deren Beispiel neuerdings mit allerlei Phantasiestoffen die Westen folgten, und gleichberechtigt mitspielen wollen nun vor allem ja auch wieder, seit die reduzierte Hosenlänge ihnen das gestattet, die Socken und Strümpfe. Ja selbst so diskrete Attribute wie die Träger haben nun auf einmal ihren modischen Ehrgeiz entdeckt, und sie sind dabei manchmal beinahe schon so anspruchsvoll in Farbe und Muster wie die Krawatten.

Da muß man wirklich schon mit einiger Überlegung disponieren, wenn man Disharmonien vermeiden will. Denn neben einem Ausgleich in der Farbe gilt es ja nun auch noch mit den Dessins und Motiven des Beiwerks möglichst sparsam zu operieren, um eine geschmackvolle Ausgeglichenheit zu schaffen.



Das ist nun bei so vielerlei Attributen keineswegs so einfach, zumal auch für die Anzüge selbst - angeregt durch die Distriktchecks oder die Glenchecks - ausdrucksvolle Muster immer häufiger werden. Wenn man sich da nicht bei diesen oder jenen Details auf Unis beschränken will, muß man also unwillkürlich das in der Anzugszusammenstellung besonders hervortretende Dessin hier oder da auch noch ein zweites Mal verwenden. Dafür gibt es sehr viel mehr Koppelungen, als man im allgemeinen annimmt. Denn für eine passende Bindung hat man ja meistens unter sehr verschiedenen Garderobeartikeln die Auswahl. Voraussetzung für Attribute, die man durch gleichartige Dessins miteinander paaren will, ist nur, daß sie nicht unmittelbar aneinander grenzen. So kann man das Muster eines Hemdes - wie zum Beispiel neuerdings das Fischgrat - entweder beim Beinkleid, bei der Socke oder auch im Taschentuch wiederholen. Ebenso gibt es - etwa für Pepitas und Rauten - eine Verwandschaft zwischen Westen oder Pullovern und Strümpfen. Am meisten aber läßt sich - wenn man von der rein farblichen Harmonie zwischen Hut und Krawatte, Hut und Beinkleid oder Hut und Taschentuch absieht - der Pendantgedanke zwischen Krawatte und Socke verwirklichen, denn diese beiden Attribute haben die größte Möglichkeit für ausdrucksvollste Motive. Will man bei ihnen diese Chance ausnutzen, muß man hier umwillkürlich für beide auf dasselbe Dessin abkommen. Denn wie stillos würde es da wirken, wenn man beispielsweise einer Krawatte mit kultivierten kleinen Figuren oder duftigen Polkapunkten einen schweren Rautenstrumpf attachieren würde. So ist denn die Mode in der letzten Zeit recht bedacht darauf gewesen, die neuen Muster auch im Hinblick auf den Pendantgedanken zu entwickeln. Als erste Verbindung gab es da die Querbalken, dann folgten beinahe noch betonter, die Rauten und Argyllkaros und auf diesem Wege eröffnen sich nun unter anderem weitere Perspektiven durch die sparrenartigen Titanenstreifen, von denen sich in der amerikanischen Mode sogar die Hosenträger bestechen lassen, so daß dieses Motiv nun nicht nur in einem Duett, sondern sogar in einem Trio aufklingen kann."

(c) Herrenjournal 3/1950

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Herrenjournal V: Der Windsorkragen beherrscht die Herrenmode

"Wie nach dem ersten Weltkriege, wie damals nämlich, als der Westenausschnitt erheblich größer wurde und somit auf der Brust Muster im Hemd genügend zur Geltung kommen konnten, spielt auch heute wieder das Herrenhemd entschieden eine primäre Rolle in der Anzugs-Zusammenstellung. Denn sehr oft hängt es von ihm ab, ob ein Sakko einen modischen Eindruck macht oder nicht.

Und dabei hat man nun mehr und mehr die Feststellung machen können, daß entscheidend hierfür hauptsächlich die Form des Kragens ist.

Was hat man an ihm früher nur herumlaboriert. Hier waren die Spitzen lang und flatternd, dort kurz kupiert, bald verliefen die Schenkel konvex, bald konkav; und ganz unterschiedlich war dazu auch noch der Winkelausschnitt für den Knoten der Krawatte. Es war eine verwirrende Auswahl, ein stetes Sorgenkind für den Herrenausstatter, der all' diese Formen in jeder Größe vorrätig haben mußte, verwirrend aber vor allen Dingen für den, der hier die Auswahl für sich selbst zu treffen hatte. Bis sich dann durch einen Zufall immer mehr ein Modell in den Vordergrund schieben konnte mit so charakteristischen Konturen, das einen ganz neuen Männertyp zu repräsentieren schien, wer sich mit ihm zeigte. Und das kam so:

Halbsportliches Hemd mit ausgeprägtem Bandstreifen;  Handgewebtes Sporthemd  mit gewagtem, aber sehr apartem Karomuster; Handgewebtes rein wollenes tomatenfarbenes Skihemd mit eingearbeiteten Figuren. Auch für diese sportlichen Hemden - hergestellt von der betont modischen Herrenwäschefabrik  O t t o  Ho f f ma n n ,  S a a r b r ü c k e n  - ist wegen der stärker auftragenden Sportkrawatten der sperrende Kragen gewählt.

Bis etwa in die Mitte der dreißiger Jahre war als Gesellschaftskragen in der Herrenkleidung allein der sogenannte Klappenkragen anerkannt. Nicht nur für den Frack und Smoking war er Vorschrift, sondern auch für den Cut. Als dann aber das Dinnerjackett in der zwangloseren zweireihigen Front modern wurde und sich für den zu selten verwendeten Cut als Ersatz immer mehr der sogenannte "kleine Stresemann" durchgesetzt - der schwarze Konferenzsakko mit grauem Beinkleid -, da erschien den meisten Herren ein so seriöser Kragen für die kleineren gesellschaftlichen Gelegenheiten nicht nur zu offiziell, er war ihnen hier auch zu unbequem.

Da man aber jetzt zum zweireihigen Smoking sowie zum kleinen Gesellschaftsanzug ein Hemd mit weicher Brust vorzog, ließ es sich schließlich begründen, wenn man hier statt des Klappenkragens den Umlegekragen wählte, so neuartig die Zusammenstellung - besonders beim Dinnerjackett - auch wirkte.

Natürlich aber mußte es stets ein steifer Umlegekragen sein, und da stellte sich nun folgendes heraus: Bei der sehr niedrigen Form, die die Kragen damals besaßen, hatte, wenn man zum Gesellschaftsanzug einen Langbinder trug, der Knoten desselben meist nicht den richtigen Halt. Er begann sich zu lockern, und man bekam den Kragenknopf zu sehen. Dem mußte man natürlich auf alle Fälle begegnen. Bei der üblichen Bindeweise der Krawatte war das aber nicht möglich. Man mußte ihren Knoten vielmehr fester verankern. Das geschah dann auch, und zwar durch einen Doppelknoten. Dieser nahm sich aber selbstverständlich ziemlich volumnös aus, und der Ausschnitt des Kragens war für ihn nun nicht mehr weit genug. So mußte man diesen flotter wegspreizen. Und das tat man, damit der gehaltvolle Knoten nicht eingeengt wurde, in einem Winkel von 90 Grad.

Das cremefarbene Hemd mit Manschetten und gleichem Kragen ist immer noch das elegante Standardhemd für den halboffiziellen Zweireiher, für den die Stoffmuster ein neues interessantes Dessin von  C a r l  E l l i n g ,  B e r l i n ,  in zwei verschiedenfarbigen Varianten zeigen.

Dem Gesicht gab diese Form, wie gesagt, ein völlig verändertes Aussehen. Nur wenige Herren waren es daher zunächst, die sich trauten, diese Mode mitzumachen. Aber dann sah man vielfach mit diesem Kragen des englischen Königs jüngsten Bruder, der zu den elegantesten Herren der englischen Gesellschaft gehörte und seit seiner Verheiratung mit der schönen Prinzessin Marina von Griechenland den Namen eines Herzog von Kent führte, so daß die Modeexperten damals nach ihm auch diese neuartige Kragenform benannten. Natürlich trug sie auch aus Tradition der mit der Herrenmode eng verbundene britische König. Und als er dann nach seiner Abdankung als Herzog von Windsor mit den Amerikanern in engere Berührung kam, wurde der so betont modisch wirkende Kragen nun immer populärer. Die Modegazetten der USA ließen sich eingehend über die neue Bindemethode der zugehörigen Krawatte aus. Dabei sprachen sie dann ständig von dem Windsorknoten, und so übertrug man diesen Namen unwillkürlich auch auf die Kragenform, ohne die er nicht denkbar war.

Gerade als man sich auch in Deutschland für dieses neue Kragenmodell zu interessieren begann, brach der Krieg aus, und man hatte bald in der Wäscheindustrie andere Sorgen. Trotzdem nun aber inzwischen mehr als ein Dezennium vergangen, ist dieser Kragen auch heute noch in der Weltmode der Favorit seiner Gattung. Ja sogar selbst bei den sportlichen Hemden gewinnt er mehr und mehr an Boden. Auch bei ihnen wird jetzt - zumal sie ja meist mit Krawatten aus auftragendem Material liiert sind - häufig schon der Ausschnitt für den Knoten weit ausgespart, manchmal sogar noch mehr als in dem hierfür charakteristisch gewordenen rechten Winkel, so daß Fachkreise im Ausland dann von einer 'Spreadform' sprechen."


(c) Herrenjournal 3/1950

Dienstag, 30. September 2008

Auf Reisen: Der Travelsakko

Reisen im Anzug war im Vergleich zu heute vor 60 Jahren noch eine Selbstverständlichkeit. Aber nicht jeder Anzug schien den Autoren des Herrenjournals in den 50er Jahren gleichermaßen für die besonderen Ansprüche einer Reise geeignet. So steht der praktische Nutzen in der Gestaltung dieses Anzugs im Vordergrund. Dies zeigt vor allen Dingen der Hinweis auf die Verwendung von Rücken- und Seitenschlitzen, die in den 50er Jahren noch nicht so verbreitet waren wie heutzutage. Dem Beitrag beigefügt sind außerdem zwei Esquire-Abbildungen aus den 30er Jahren, die alternative Reisebekleidung zeigen.

"Der Travelsakko

Charakteristische Kennzeichen:

a) Einreihige Fasson in leicht sportlichem Stil mit fallenden Revers.

b) Zwei- oder dreiknöpfige Front mit schlicht aufgesetzten Taschen, die Brusttasche jedoch evtl. als Leistentasche oder mit schrägen Seitentaschen und Flaptasche.

c) Rücken neuerdings meist glatt aber mit langem Rückenschlitz oder Doppelschlitzen.

d) Beinkleid aus dem gleichen Stoff wie das Jackett im Gegensatz also zu den Anzügen kombinierter Art.

Fischgratdessins, Diagonalstoffe oder ganz modern Ton in Ton gehaltene, sich aus Treppenstufen zusammensetzende Schach- oder Waffelmuster entsprechen dem Charakter des Travelsakkos augenblicklich am meisten.

Material:

Vorwiegend Streichgarne in nicht zu sportlicher Qualität und mit nicht zu auffallenden Mustern. Am meisten gefragt in mittelbraunen Tönen.

Herkunft: 

Erste Modelle in dieser Art fanden sich als Reiseanzug bereits in der Mode von 1912. Sie wurden allerdings später durch den kombinierten Anzug verdrängt, erschienen dann aber in der Auslandsmode endgültig wieder zur Reisesaison 1947, nunmehr unter dem besonderen Gattungs-namen "Travelsakko".


Abbildung aus "Esquire", 30er Jahre
Verwendungsmöglichkeiten:

In erster Linie das Reisemilieu, wo der Travelsakko dem kombinierten Anzug gegenüber den Vorteil hat, daß man mit ihm einigermaßen "angezogen" wirkt, wenn man sich am Ziel der Fahrt abends noch in gepflegter Umgebung aufhalten will, ohne sich erst umkleiden zu müssen.

Passendes Beiwerk:

Hellgrundiges aber dezent gemustertes und dabei nicht so leicht schmutzendes Hemd, neuerdings am vorteilhaftesten mit sogenanntem Pin-Point-Kragen zu lebhafter Krawatte - leichte Cashmirweste - modernder Camber - Halfbrogues oder Fullbrogues."
(c) Herrenjournal, 4/1950


Wochenend-Ausflug auf's Land.  Abbildung aus "Esquire", 30er Jahre

Sonntag, 28. September 2008

Herrenjournal IV: Die Skala der Anzugstoffe

"Standardmuster in neuen Variationen

In allen Kollektionen für Anzugstoffe, die jetzt auf dem deutschen Markt erscheinen, ist der Wille zu erkennen, unbedingt wieder den Anschluß an die Weltmode herzustellen und sich dabei auch, ohne lediglich zu kopieren, auf einen guten eigenen Geschmack und den sooft bewiesenen Ideenreichtum zu stützen.
Nach der fast zehnjährigen Isolierung ist es selbstverständlich, daß die Produktion zunächst einmal, um wieder eine Basis zu schaffen, auf die bewährten Standardmuster zurückgreift. Auch schon deswegen, weil sie eine gewisse Zeitlosigkeit verbürgen. Und darauf kommt es in diesen Aufbaujahren den meisten Herren sicher ganz besonders an. Aber Standarddessins brauchen nun durchaus nicht des modischen Charakters zu entbehren. Durch die Wahl der Effekte, die Breite der Rapporte und geschickte Kombinierungen lassen sich hier, ganz abgesehen einmal von den Fondfarben, ja immer wieder Variationen herstellen, aus denen der Versierte genau den Jahrgang erkennt, ohne daß solch ein Stoff deswegen aber als modisch überholt betrachtet wird, wenn sich in den nächsten Saisons neuartige Ideen durchsetzen sollten.


Zweifellos die größte Konjunktur hat da gegenwärtig der Streifen, den man infolgedessen auch besonders vielseitig abwandelt. Fast allgemein aber geschieht dies in einer sehr dezenten Art. Denn in der Hauptsache dominieren hier die feinen Streifen, bei denen wieder die Nadelstreifen den Ton angeben. Da die ganze Tendenz darauf ausgeht, gegenwärtig Extreme zu vermeiden, hält sich auch der Rapport in normalen Grenzen. Jedenfalls ist hier eine Distanz von etwa Fingerbreite die Regel. Um Abwechslung zu schaffen, treten die Streifen - dann in unterschiedlicher Zusammensetzung - auch mehrspurig auf, begleitet von anderen Effektfarben oder abwechselnd mit solchen. Und dann schafft bei den Streifen häufig natürlich auch der Fond ein neues Bild, vornehmlich durch die heute so vielseitig modulierten Fischgratstrukturen oder die dezenten Perlmuster, die auf diese Weise - populär geworden als "Vogelaugen" oder Kaviardessins - von einem zeitlosen zu einem Saisondessin anvancieren.
So sind also die charakteristischen Muster der Anzugsmodelle alle wieder mit im Rennen, zumal man auch keineswegs auf die Glenchecks verzichten wird, die teilweise in neuen, interessanten Blockgruppen erscheinen und durch ihre Fenstereffekte auch wieder den Überkaros den Weg ebnen, die - in Ablösung mit Streifendurchzügen - aus irisierendem Körpergrund herausleuchten.
Am Horizont englische Phantasiemotive
Während sich nun in der Tuchindustrie die Mode mit den bewährten Dessins wieder stabilisiert, beginnt sich allmählich, von den britischen Inseln inspiriert, eine Tendenz anzukündigen, die auch dem Phantasiemuster einen Spielraum verschaffen will, vornehmlich natürlich für die zwanglose Kleidung. Am auffallendsten sind wohl hier, gegenüber der konservativen Richtung, die Flechtmotive, engmaschig ebenso wie ganz aufgelockert und dann mit Vogelaugen gefüllt. Nicht weniger bemerkenswert sind auch die Wabenmuster, besonders wenn sie zusammengesetzt sind aus verschieden getönten Blocks, so daß das Schema eines Schachbretts entsteht. Auch für dieses plädiert man jetzt nämlich wieder, indem man es entweder aus Gruppen von Vertikalen und Horizontalen aufbaut oder aus spinnwebähnlichen Fischgratquadraten. Und dann ist da auch noch eine Mustergruppe hervorzuheben, bei der man darauf ausgeht, dem Streifen neue Perspektiven zu eröffnen, angeregt zweifellos durch die waagerecht aufgeteilten Bahnen, die in der Hemdenmode als Bengalenstreifen klassische Ehren genießen.

Das farbige Tableau auf der rechten Seite gibt einen Überblick über die Struktur neuer englischer Anzugdessins, bei denen besonders allerlei Flechtmuster, Schachbrettmotive und Überkaros auf verschiedenstem Fond auffallen.

Bei den sportlichen Stoffen zeigen die Kollektionen neben Noppendessins und einem kleingemusterten Flechtfond Hahnentrittmotive in den verschiedensten Größen, treppenartige Diagonalbindungen und oft recht kräftige Fischgräten, deren farbige Effekte als Horizontalstreifen erscheinen. Dabei finden sich alle Farben vom gründurchsetzten Zitronengelb über Marineblau und Rot bis zur Auberginefarbe.


Die Farbpalette


Wie man das schon vor dem Kriege gehalten, schaltet man auch jetzt wieder in der Anzugmode keine der herrenmäßigen Grundfarben aus. Aus einer gewohnheitsmäßigen Einstellung finden dabei zwar die grauen Töne nach wie vor die meisten Anhänger - nicht zuletzt, weil man bei ihnen die wenigsten farblichen Schwierigkeiten mit dem Beiwerk hat -, kaum weniger Bedeutung haben heute aber die braunen Nuancen vom Mönchsbraun über das warme braune "Tudorrot" zum "Safaribeige" in Tropicals und neuerdings auch in zusammengesetzten Tönen, wie sie das Britische Colour Council für das Jahr 1950 befürwortet: In einer "Heidekrautmischung" etwa und dann ganz besonders auch in den exklusiven Färbungen von Blau, bei dem es Legierungen mit Rot gibt und bei denen für die kommende Saison ebenso eine Rollen spielen: das sogenannte "Universitätsblau", "Tintenblau", "Kommandeurblau" und "Atlantikblau". Und sehr loyal ist man im Ausland heute auch gegen die grünen Stoffe, vor denen der Deutsche immer eine gewisse Ängstlichkeit empfunden hat. Für den Universalanzug sind sie natürlich nichts. Hat man sich aber bei seiner Garderobe wieder eine gewisse Basis geschaffen, dann gibt es hier für den individuellen Geschmack sehr aparte Töne vom sportlichen Gelbgrün und Schottischgrün bis zum distinguierten Lovat."
Herrenjournal, 1/1950

Freitag, 26. September 2008

Herrenjournal III: Variationen zwischen USA-Front und Kent-Fasson

"Die Geschichte des modernen Zweireihers setzt ein: Ungefähr gegen Ende der zwanziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt nämlich stellte man fest, daß der Ausschnitt dieses Sakkos nicht mehr der Mode entsprach. Viel zu hoch überschnitten sich seine Revers, und so war hier fast gar nichts zu sehen von der Hemdbrust, und auch die Krawatte kam dabei, wenn es sich um breite Streifen, schöne Ornamente oder größere Karos handelte, nur sehr ungenügend zur Geltung. Da das Beiwerk damals aber zum ersten Male eine primäre Rolle in der Anzugszusammenstellung einnahm, war es ganz selbstverständlich, daß man ihm auch beim Zweireiher zu seinem Recht verhelfen mußte.

Werbeanzeige aus den 20er Jahren - (c) Hart, Schaffner & Marx


Und so begann man also an den Revers herumzukorrigieren. Zunächst einmal, indem man sie aushöhlte, die Hemdbrust also konisch von ihnen umranden ließ. Nur minimal aber wurde der Ausschnitt dadurch erweitert. Und so kam man denn in Paris auf die nun sehr naheliegende Lösung, einfach den obersten Schließknopf tiefer zu setzen, wodurch dann auch die Revers gestreckter wurden und folglich auch ihr Ausschnitt mehr von Hemd und Krawatte hergeben konnte. Aber dieses Modell hatte, optisch gesehen, einen Schönheitsfehler. Das unterste Knopfpaar lag nun unter der Höhe des Tascheneinschnittes, und das ergab bei dem damals verhältnismäßig kurzen Jackett eine unbefriedigende Proportion.

Auch in England hatte man sich mit diesem Problem befaßt, und hier kam man nun sehr bald auf den richtigen Weg. Ähnlich wie beim Einreiher ließ man jetzt nämlich auch beim Zweireiher einfach den oberen Schließknopf überrollen. Dadurch hatten die Revers bis zum Tascheneinschnitt Spielraum und ein großer Rahmen stand nun den immer interessanter werdenden Hemdstoffen und den dekorativen Langbindern zur Verfügung.

Offiziell anerkannt war dann dieses Modell, als sich grundsätzlich auch der elegante Herzog von Kent zu ihm bekannt, so daß der "Kentzweireiher" bald ein Begriff in der internationalen Herrenmode wurde.

Aber dann kam der Krieg, und als nach dem Waffenstillstand allmählich auch die Herrenmode wieder auflebte, da hatte diese elegante Sakkofront einen gewichtigen Konkurrenten erhalten.



Angesichts ihrer politischen Machtposition wollten nun, bei allem Respekt vor dem Hof von St. James und seiner distinguierten Herrenklasse, auch die Amerikaner ein Wort in der Mode mitreden.

Und so ging von ihnen eine starke Propaganda aus für einen neuen zweireihigen Typ, bei dem wiederum, wie einst in Paris, das untere Knopfpaar tiefer lag als der Tascheneinschnitt. Da aber gleichzeitig auch das Jackett eine größere Länge erhalten hatte, die Taille überdies nur noch angedeutet war und die Silhouette sich fast trapezartig verjüngte, war diese USA-Front, wie man diese Fasson recht bald überall nannte, ästhetisch durchaus einwandfrei. Zumal, wenn die unteren Knöpfe das "Gesetz von den Beziehungen zwischen Knöpfen und Taschen" respektieren. Danach mußte das untere Knopfpaar in Höhe der unteren Taschenpatte liegen. Verzichtete man jedoch auf diese, so hatte die Verlängerung des Tascheneinschnittes den Höhenabstand der beiden unteren Kopfpaare zu halbieren. Wie man das besonders in Schweden liebte, wo man beim Zweireiher jetzt die blinden Knöpfe fortließ und dadurch dann eine ganz neue Front erhielt, die man als "Svenskamodell" registrierte.

In der ganzen Nachkriegszeit hat nun diese Tiefknopfstellung die Konturen der Zweireiher bestimmt. Lediglich in England hat man sich um sie wenig gekümmert. Denn hier stand man auf dem Standpunkt, daß der Wunsch nach einem tiefen Ausschnitt von dem "Kentzweireiher" noch weit besser berücksichtigt worden sei, da bei ihm ja die Revers eine noch größere Länge hätten. Und als man dann anfing, die Sakkos wieder etwas mehr zu kürzen, und dadurch die Proportionen für die USA-Front wieder ungünstiger wurden, befestigte der englische Zweireiher erneut seine Stellung unter den modischen Modellen. Und sogar eine interessante Variante gibt es jetzt hier. Auch der Abstand des mittleren Knopfpaares wird nun hier und da, weil es ja nicht mehr geknöpft wird, etwas auseinandergezogen, und zwar so weit, daß es auf derselben Linie liegt, die die obersten mit den unteren Knöpfen verbinden würde. Dadurch entsteht dann eine reine Trapezfront, die dem Zweireiher zweillos einen neuen Charakter gibt.

Unter diesem Aspekt kehrt dann bei den zweireihigen Sakkos auch die Fasson wieder zurück, die man vor dem Kriege als "Smokingfront" von dem zweireihigen "Dinnerjackett" übernommen. Und zwar in zwei Variationen. Einmal in Anlehnung an die USA-Front, von der man nur das untere Knopfpaar kassiert hat. Dann aber - um eine Nuance moderner (s. S. 25) - auch mit dem unteren Knopfpaar in Höhe des Tascheneinschnittes, genau wie beim "Kentsakko", dessen Idee sich somit bei dem eleganten Zweireiher augenblicklich wieder dominierend durchgesetzt hat."


(c) Herrenjournal, 1/1950



Die Goldenen Zwanziger

So sah man in den 50er Jahren die Mode der Goldenen Zwanziger. Schick waren sie ja damals, in den roaring twenties...

(c) Herrenjournal, 1/1950

Donnerstag, 25. September 2008

Herrenjournal II: Der Einreiher ist wieder Favorit

"Seit etwa einem Jahr hat sich bei den korrekten Stadtsakkos, die sich die letzten Jahre hindurch mit Vorliebe an die zweireihige Form hielten, allmählich wieder der Einreiher in den Vordergrund geschoben. Zunächst noch ohne Anspruch darauf, auch einmal wieder als offizieller Anzug gewertet zu werden. Denn in den USA entschied man sich hauptsächlich immer deswegen für ihn, weil man bei ihm besser als beim Zweireiher die für die Neue Welt charakteristischen, so phantasievollen, großgemusterten Krawatten zur Geltung bringen konnte. Ihretwegen wurde bei ihm auch der Ausschnitt so tief gehalten wie nur möglich und die Revers bis zur Taille gestreckt, so daß die zweiknöpfige Front die Norm wurde. In diesem Schnitt erlangte der einreihige Anzug drüben bald eine so große Popularität, daß man ihn gewissermaßen zum "Weltsakko Nr. 1" erklären konnte.
Dies um so mehr, weil der Einreiher in dieser Form inzwischen immer häufiger auch auf dem Kontinent wieder in Erscheinung trat. Hier war es vor allem Paris, das sich für ihn interessierte. Aus einem anderen Grunde aber als die Yankees. Denn dem Bonvivant der Seinestadt gab dieser Sakko die Möglichkeit, erneut in der Anzugszusammenstellung auch die Phantasieweste mitsprechen zu lassen, für die man dort von jeher ein Faible gehabt.

Beim Tageseinreiher bringt die Mode jetzt einen neuen Stil durch eine hochgeschlossene Fasson à la Meyerling

Und da gab es da noch einen anderen wichtigen Punkt, der auch dafür sprach, den Einreiher wieder stärker konkurrieren zu lassen mit dem Zweireiher: Für das Dinnerjackett hatte man sich inzwischen fast allgemein für die zweireihige Form entschieden, weil diese wegen der fehlenden attraktiven Weste für den zwanglosen Umlegekragen und die halbsteife Hemdbrust geeigneter war als der einreihige Smoking.
Um sich von dieser Smokingform möglichst wenig zu unterscheiden, wurde dann auch für den Gesellschaftssakko immer mehr der zweireihige Schnitt gewählt. So kam der Zweireiher vorübergehend zu einer unbedingten Vormachtsstellung, gegen die man sich aber allmählich aufzulehnen begann, weil sie eine gewisse Monotonie zur Folge gehabt hätte. Ihr begegnet man also nun durch eine stärkere Herausstellung des einreihigen Sakkos.



Ein neues Moment für den einreihigen Sakko bringt die sogenannte "Flaptasche". Sie harmoniert besonders gut mit der nun auch wieder hochgeschlossenen Front.

Mit dem gesteigerten Interesse an ihm kam natürlich nun auch der Wunsch auf, hier nach Möglichkeit zu variieren, und so fand sich bald unter den neuen Modellen der einreihigen Sakkos nicht nur die Fasson mit steigendem Revers, die man lange Zeit hindurch nur noch bei dem als Cutersatz dienenden Jackett gesehen, sondern auch - als Reagenz auf die Tiefknopffront - der oben geschlossene Dreiknopfsakko mit kurzem Revers; in Anlehnung an die Mode der achtziger Jahre, an diese Zeit, als man sich in der Herrenmode vielfach nach Wien richtete, wo der elegante Kreis der aristokratischen Lebemänner um den Thronfolger den Ton angab. Man hatte nämlich jetzt in Paris die Tragödie dieses Habsburgers mit der schönen Baronesse Vetsera auf die Bühne gebracht und durch den Erfolg, den das Stück von Jean Barré erzielt, entdeckte man nun auch, in Parallelität mit der Damenmode, sein Herz für diese sonst so unbeschwerte Zeit, indem man die damalige Anzugstendenz wieder aufleben ließ in einem Sakko à la Mayerling, genannt nach jenem unseligen Ort, wo das berühmte Liebespaar auf eine bisher noch immer unaufgeklärte Weise ums Leben gekommen.



Person rechts: An die Zweiknopffront (hier mit "Kerbrevers" à la Knize) hält man sich heute hauptsächlich dann, wenn man die Weste - in diesem Falle aus Kamelhaarmaterial gestrickt - zur Geltung kommen lassen will.

Person links: Eine neue Variante des "Paddockstils", das Modell eines Londoner Westendschneiders, mit steigendem Revers, schrägen Taschen und Ärmelaufschlägen."

(c) Herrenjournal, 1/1950