Freitag, 1. Januar 2010

Hochwertige Handarbeit schreit nicht: "Seht her!"


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Liebe Stilfreunde,

zu Beginn des Neuen Jahres möchte ich ein paar Betrachtungen zum vielberufenen Thema Hamdarbeit anstellen.
Wie in fast allen Diskussionen dieser Art haben auch in dieser die meisten Argumentationen einen hohen Wahrheitsgehalt. Es kommt eben, wie immer, auf den Standpunkt an, von dem eine Sache betrachtet wird. Ich will mich daher überhaupt nicht an der nur vom Einzelnen für sich selbst zu beurteilenden Frage nach dem vielzitierten "Preis-Leistungsverhältnis" beteiligen.
Sagen möchte ich allerdings - unfreiwillig berechtigt durch die fragwürdige "Gnade" der frühen Geburt - dass allerorten eine mehr als falsche Qualitätsbeurteilung von "Handarbeit" vorherrscht. Das von der Werbung gepushte Hochloben von Handarbeit als Luxus ( den man auch vorzeigen möchte ) hat dazu geführt, dass "Welligkeiten" und "typische Unregelmäßigkeiten" als Qualitätsmerkmale speziell bei handgearbeiteten Herrenanzügen gesehen werden. Gerade Luxusmarken bieten heutzutage zwar in vielen Fällen durchaus echt handwerklich verarbeitet Produkte an, die aber - absichtlich? - so augenscheinlich handgearbeitet sind, dass in früheren Zeiten mit solchen Werkstücken nicht einmal eine Lehrabschlußprüfung bestanden worden wäre.
Über Jahrhunderte (!!) war es das Bestreben jeden Meisters in jedem Beruf, seine Arbeit so präzise auszuführen, dass eben möglichst NICHTS von der Handarbeit augenscheinlich wurde.
"Handgemachte Anzüge sind eben wellig." - Wie bitte? Warum denn?
"Ein von Hand eingenähtes Futter erkennt man sofort an den Stichen." Wieso? Bei perfekt staffierter Futterverarbeitung haben die Stiche unsichtbar zu sein.
Und so weiter und so weiter.....
Kein Tischler möchte seine Hobel- und Schleifspuren hinterlassen, natürlich auch kein Autolackierer. Sichtbare Stöße bei Tapeten als Zeichen von Handarbeit? Igitt. Handgemachter Schmuck vom Juwelier mit unregelmäßigen Fassungen und Feilspuren an den Rändern? Wohl eher nicht.
Aber bei Anzügen, Hemden und Schuhen werden sogar absichtlich "Turbo-Spuren" von Handarbeit hinterlassen, teilweise sogar von Maschinen, die dem fehlgeleiteten Kunden etwas vorgaukeln, dass dieser aber leider auch vorgegaukelt haben will. Schade, denn diese Entwicklung führt dazu, dass es bald wirklich keine SchneiderInnen, WeißnäherInnen und SchuhmacherInnen geben wird , die Ihre Arbeit noch perfekt machen können. Oder wollen. Wozu auch? Es liegt am mündigen Kunden und dessen Nachfrage.

Viel Glück, Erfolg und Gesundheit für 2010 wünscht

Camlot
Gerald P. Marko