Sonntag, 26. Oktober 2008

Herrenjournal IX: Überall neues Interesse für Grün

"Nur durch Übertreibungen kommen Moden zu Fall. Und so ist es auch mit Grün gewesen. Nach dem ersten Weltkrieg war es einmal Favoritenfarbe gewesen, vielfach mit lila Streifen durchsetzt, auf die sich dann in Bischofs- oder Auberginetönen die Krawatten eingestellt. Jeder wollte sich damals gern mit einer ähnlichen Zusammenstellung zeigen. Und das hatte dann natürlich zum Resultat, daß jene, die in der Mode den Ton angaben, von diesem Experiment sehr bald wieder abließen.

Die Herrenmode war in jener Zeit eben noch nicht reif für Farben, die von der üblichen Basis so weit abrücken. Erst als der kombinierte Sportanzug sich endgültig durchgesetzt und man sich für ihn von Saison zu Saison nach immer neuen Paarungen für Jackett und Beinkleid umsah, gab man diesen konservativen Standpunkt allmählich auf. Aber auch jetzt noch immer mit einer gewissen Reserve dem Grün gegenüber. Denn in den Modeateliers hatte man es noch in Erinnerung, daß man vor Jahren auf den grünen Stoffen sitzen geblieben war.


Nicht noch einmal wollte man dieses Risiko eingehen, und so stieß jede Initiative der Industrie und des Großhandels, die hier von Zeit zu Zeit, der Auslandsmode entsprechend, für die grünen Farben unternommen wurde, auf ein Veto der Abnehmer.

Inzwischen ist nun eine neue Generation herangewachsen, die von den alten Vorurteilen nichts mehr weiß, aus dem Sportmilieu heraus in modischen Dingen sehr viel mutiger denkt und dabei vor allem auch Freude an schönen Farben hat. So ist denn neuerdings auch die ehemals vorhandene ängstliche Abneigung gegen grüne Töne jetzt völlig verschwunden. In allen Kollektionen ist das zu erkennen. Angefangen bei den Anzugsstoffen über das Beiwerk jeder Art bis zu den Garbardines für Regenraglan und Trenchcoat.

Das größte Interesse an den neuen Chancen für Grün nimmt man naturgemäß bei dem Campusstil. Weder bei den Glenchecks noch bei den Fischgratstoffen oder den diagonalgerippten Tweeds geht man da an dieser Farbe vorüber, ebensowenig wie bei den Glenchecks oder den neuen, breiten Bandstreifen. Und das Grün tritt dann dabei bald flächig auf, bald auch nur in den Effekten, so daß tatsächlich jede Monotonie vermieden wird. Ganz abgesehen auch davon, daß es hier selbstverständlich allerlei farbliche Abstufungen gibt, vom zarten Malachitgrün über das schon klassisch gewordene Lovatgrün bis zum neuen bläulich schimmernden Guatemalagrün.

So lassen sich denn hier allerlei recht abwechslungsreiche Zusammenstellungen schaffen, so daß man der grünen Note keineswegs so leicht überdrüssig wird. Zu achten hat man nur darauf, daß, wenn in einer Zusammenstellung grüne Töne zwei- oder gar dreimal auftreten, diese sich nicht unmittelbar berühren und immer irgendwie durch eine eingeschobene Farbe neutralisiert werden. Denn es wäre zuviel des Guten, würde man etwa ein moosgrünes Jackett nun noch mit einer resedagrünen Hose kombinieren oder einen efeufarbenen Pullover mit einem olivegrünen Hemd. Etwas anders präsentiert sich da die Verbindung zwischen einer akzenthaft wirkenden Taxuskrawatte mit einem Hemd, das zwar durch grüne Streifen oder ebensolche Karos gleichfalls diese Mode mitmacht, das Dessin aber auf einem grauen, weißen oder champagnerfarbenen Grund zeigt.

Darüber hinaus aber läßt sich auch gerade hier sehr gut mit dem Pendantgedanken operieren. Denn es wird immer einen sehr gepflegten Eindruck machen, wenn man - bei einem grauen Flanellanzug etwa - eine grüne Krawatte durch gleichfarbene Socken ergänzt oder passend zum Filz des Hutes die Kante des Taschentuches hält. Auch Hut und Krawatte kann man im gleichen Sinne aufeinander abstimmen, ja, hier in diese Entente möglicherweise sogar noch den Strumpf mit einbeziehen. Wobei dann allerdings das Maximum an Wiederholung der Farbe erreicht ist."

(c) Herrenjournal 4/1950

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