Donnerstag, 22. Januar 2009

Über die vielbeschworene Zeitlosigkeit

Manch ein Nutzer mag sich die Frage stellen, ob es denn für die heutige Zeit mit ihrem gefühlt modernen Modeverständnis sinnvoll sein kann, Artikel und Bilder aus alten Herrenmode-Magazinen der 30er bis 50er Jahre zu zitieren und zu betrachten. Die Antwort kann nur sein: Es kommt auf die Fragestellung an.

Wer mehr Sicherheit im Umgang mit Farb- und Stoffkombinationen erlangen will, für den sind die alten Farbtafeln ein wunderbarer Lehrmeister; ebenso für denjenigen, dem die Sicherheit fehlt, sich für gewisse Anlässe passend zu kleiden. 
Auch wer die breite Palette an unterschiedlichen Fassons nicht kennt, sollte einen Blick riskieren. 
Allein: Ein wenig Abstraktionsvermögen muß vorhanden sein. Denn die Schnittmuster unterliegen immer einem gewissen Zeit-Geschmack; sie taten es vor 80 Jahren und sie tun es heute. Wer aber bereit ist, die gesamte Distanz zu betrachten und dabei zu abstrahieren, der kommt dem, was zeitlose Herrenbekleidung meint, schon sehr nahe. Wer dies für sich zu akzeptieren bereit ist, der wird auch aus der Vergangenheit lernen und sicherer in die Zukunft schreiten.


links: Esquire, Mitte der 30er Jahre, rechts: The Sartorialist, Januar 2009, (c) Scot Schuman

Montag, 19. Januar 2009

Das Maßmodell II: Zweireihige Wintermäntel

Die erste Kältewelle ist in diesem noch jungen  Jahr schon an uns vorübergegangen, der Winter jedoch ist noch lang und so einige frostige Tage können uns durchaus noch bevorstehen. Wenn es also richtig kalt wird, können wir jede zusätzliche Stoffschicht gebrauchen;  hier glänzt dann die zweireihige Front. Wie unterschiedlich diese sich gestalten kann,  illustriert neben der Abbildung des Herzogs von Windsor der folgende Beitrag:




"Der zweireihige Raglan, vorwiegend aus Fischgratstoffen mit Noppeneffekten, fängt jetzt an, als Wintermantel dem Ulster Konkurrenz zu machen. Er verlangt bei seinem weiten Schnitt um diese Jahreszeit natürlich einen Ringgürtel. Auch schräge Taschen sind für ihn jetzt zweckmäßig, sie dürfen aber nicht von dem Gürtel überschnitten werden, damit man sie bequem als Muffe benutzen kann.

Der Ulster mit Ringkragen unterscheidet sich von dem Revers-Ulster dadurch, daß sein oberstes sichtbares Knopfpaar höher liegt als üblich, denn der Abstand von ihm bis zu dem vom Kragen verdeckten Knopfpaar muß hier dem Zwischenraum bei den anderen Knopfpaaren genau entsprechen. Da dieser Manteltyp stets vier sichtbare Knopfpaare hat, endet die Knopfreihe tiefer als beim normalen Ulster.



Ulster und Paletot mit schrägen Taschen. Nach diesem neuen Tip bringt die Wintermode wirklich sehr praktische Modelle heraus. Denn die muffartigen taschen werden in der kalten Jahreszeit sicher als sehr praktisch empfunden werden. Ungewöhnlich wirken die neuen Taschen zunächst besonders bei den Mänteln im Paletotcharakter, da bei diesen bisher ja immer, wegen der steigenden Rever

s, eine seriöse Front Voraussetzung war. Aber auch hier überwiegt jetzt die praktische Seite. Überdies haben die Paletots dann meistens die zwanglose Form der "Guard coats", bei denen man wegen ihres obligativen Rückengurts die Steiltaschen nicht als stilwidrig ansieht. Während sonst die Knopfreihe beim Ulster wesentlich tiefer heruntergeht als beim Paletot, zeigt sich bei den schrägen Taschen für beide Mäntel ziemlich das gleiche Bild, denn sie endet hier beim Ulster in Höhe des Taschenendes, das beim Paletot ein klein wenig tiefer liegt als das Schlußknopfpaar."




(C) Herrenjournal 1952

Montag, 12. Januar 2009

Herrenjournal XV: Inoffiziell und doch 'angezogen'. Die Aufgaben des zweireihigen Smokings

Im dritten Teil unser in Kleinauflage erschienenen Serie über die unterschiedlichen Spielarten der Abendgarderobe wollen wir nun dem zweireihigen Smoking seinen gebührenden Platz einräumen. Zwar wird man zu manch einer der damals ausgesprochenen Empfehlungen heutzutage weniger förmlich erscheinen wollen, die Grundaussage aber bleibt: Wir sollten die Anlässe wieder mehr zu würdigen wissen, und das drücken wir nach außen hin am wirksamsten durch unsere Kleiderwahl aus. Viel Spaß bei der Lektüre!

"Die Aufgaben des zweireihigen Smokings

Der zweireihige Smoking ist nicht nur eine einfache Variation seines einknöpfigen Bruders. Wäre er nur das, so hätte er sicher schon nach kurzer Zeit ausgespielt, denn jeder würde in diesem Fall stets die ursprüngliche Form des Smokings vorziehen, weil sie mit ihrer größeren Hemdbrust dekorativer wirkt. Gerade der üppige Pikee-Einsatz ist es andererseits aber wieder, der dem einreihigen Smoking gewisse Grenzen setzt. Er bindet ihn an die gleiche späte Stunde, wie sie dem Frack vorgeschrieben ist, und er hält ihn außerdem aus dem Kreis jener fern, denen der Sakko für den Abend genügt. Der zweireihige Smoking ist da weniger engherzig. Seine sich schon ziemlich hoch überschneidenden Revers lassen von dem Hemdeinsatz nicht mehr sehen als bei irgendeinem Sakko. So fällt der zweireihige Smoking, zumal er hauptsächlich mit Umlegekragen getragen wird, in der Gesellschaft dunkler Anzüge kaum auf, was ihm außerdem auch die Möglichkeit schafft, sich schon vor dem Abend zu zeigen. Allerdings ist er noch nichts für den 5-Uhr-Tee der Hotels, immerhin kann er aber bei einem Bridgenachmittag in einem Privathaushalt bereits in Aktion treten, wenn sich ein Imbiß anschließt. Darüber hinaus ist der zweireihige Smoking der gegebene Anzug für alle Gelegenheiten, bei denen man neben Abendgarderobe auch Sakkos vermutet. Unter sich sind beide Smokingmodelle natürlich gleichberechtigt. Spielt an einem Abend aber der Frack die Hauptrolle, dann ist für den zweireihigen Smoking, weil er nicht mit einer weißen Front aufwarten kann, die Lizenz aufgehoben.

Für die Stellung des zweireihigen Smokings ist bezeichnend, daß man ihn im Ausland als "semiformal" charakterisiert hat. Er ist infolgedessen auch hauptsächlich mitternachtsblau.




Selbstverständlich kann zum zweireihigen Smoking, genau wie zu jedem korrekten dunklen Sakko, auch der Klappenkragen getragen werden. Sein Hut ist der Homburg.


Gelegenheiten für den zweireihigen Smoking:

- Abendgesellschaften
- Bar
- Boxkämpfe
- Bridgeeinladungen
- Cocktaileinladungen
- Filmpremieren
- Herrenabende
- Kabarett
- Klubabende
- Konzerte
- Oper
- Reitturnier (Zuschauer am Abend)
- Spielsaal
- Sportfeste am Abend
- Taufe
- Theater
- Varieté
- Weinrestaurants
- Zirkus"

(c) Herrenjournal 1936

Samstag, 10. Januar 2009

Der einreihige Smoking, ein vielseitiger Abendanzug - Herrenjournal XIV: Beim einreihigen Smoking kommt es auf die Weste an

Nachdem wir zuletzt dem Frack seinen ihm zustehenden Platz eingeräumt haben, lohnt es sich nun, auch den Smoking in seiner ganzen Vielfalt zu beleuchten. Zwar liegen die Empfehlungen des Herrenjournals schon gute 70 Jahre zurück, an ihrer Gültigkeit - gerade im Bereich der Abendmode - hat sich jedoch nicht viel geändert. Man müßte sogar so weit gehen und sagen, daß heutzutage, wo ein wirklich nur noch verschwindend geringer Anteil der Männer in Deutschland einen Frack besitzt, der Smoking mit seinen vielfältigen Trageweisen um so wichtiger geworden ist. Kaum ein Kleidungsstück läßt sich so fein an abendliche Veranstaltungen anpassen wie der Smoking, bei dem schon kleine Änderungen des Beiwerks große Wirkung zeigen können:


"Der einreihige Smoking ist der einzige Abendanzug, der sich zwei Westen leisten kann, die schwarze wie die weiße, was weder dem Frack zusteht, der sich mit der weißen Weste begnügen muß, noch dem zweireihigen Smoking, bei dem eine weiße Weste ja völlig illusorisch wäre, weil man von ihr nie etwas zu sehen bekäme.
Natürlich kann man nicht wahllos entscheiden, ob man die weiße oder die schwarze Weste tragen will. Hier hat sich im Laufe der letzten Jahre vielmehr eine ganz feste Regel herausgebildet. Nämlich die: daß man sich zur weißen Weste nur entschließt, wenn der Abend in der Hauptsache dem Tanz gewidmet ist und außerdem unter den Teilnehmern des Festes womöglich viele im Frack erscheinen werden. Bei anderen Gelegenheiten die weiße Weste mitspielen zu lassen, ist in den meisten Fällen Überleganz, die der Mann von Geschmack vermeidet. Je nachdem, ob der Abend der weißen oder der schwarzen Weste gehört, unterscheidet man dann meistens heute auch die Zuteilung der Attribute, denn die verschiedenen Kopfbedeckungen haben hier ebenso wie die einzelnen Wäsche-arten und Schuhtypen nicht grundsätzlich das gleiche Recht.


Zur weißen Weste gehören:Steifes Hemd mit Klappenkragen, Chapeau claque oder schwarzer Demi-Homburg, Pumps oder Halbschuhe - Zur schwarzen Weste gehören: Steifes Hemd mit Klappenkragen oder Umlegekragen, schwarzer Demi-Homburg, Halbschuhe

Gelegenheiten für den einreihigen Smoking:

- Abendgesellschaften
- Bar
- Boxkämpfe
- Cocktail-Einladungen
- Filmpremieren
- Herrenabende
- Kabarett
- Klubabende
- Konzerte
- Oper
- Polterabend
- Reitturnier
- Restaurant (Wein-)
- Spielsaal
- Sportfeste am Abend
- Tanzabende an der See
- Tanzgesellschaften
- Taufe
- Theater
- Varieté
- Zirkus"
(c) Herrenjournal 1936

Dienstag, 6. Januar 2009

Die Ballsaison ruft! oder: Herrenjournal XIII: Der Frack läßt sich nicht mehr verdrängen

Jeder neue Jahresanfang bedeutet auch, daß man sich mitten in der Wiener Ballsaison befindet; und zu Bällen geht der Mann im Frack, so sollte man zumindest meinen. Da der Frack heutzutage ja zu jeder Gelegenheit derart totgeredet wird, daß viele schon gar nicht mehr wissen, wie ein Frack wirklich auszusehen hat, geschweige denn, zu welchen Anlässen man einen solchen trägt, sieht man mittlerweile auch bei großen Bällen häufig den Smoking. Wer sich darüber beschwert, wird dann vermutlich die Goldenen Zwanziger und auch die dreißiger Jahre bemühen, wo der Frack ja noch alltäglich gewesen sei.

Daß die Welt der Herrenbekleidung auch damals ihre Probleme hatte, obwohl es doch so zahlreiche Gelegenheiten für den Frack gibt, zeigt folgender Text aus einem Herrenjournal von 1936:



"Wie oft war es nicht schon so weit, daß es so schien, als wolle die Mode dem Frack das Lebenslicht ausblasen, um den Smoking an seine Stelle zu setzen! Aber die großen und wieder so ganz weiblichen Toiletten der Frauen haben ihn in seinem Kampf unterstützt. Sie wollten einen Partner neben sich sehen, der auch äußerlich ihrer würdig war und ihre Eleganz durch seinen Anzug noch unterstrich. So wird nun an besonders festlichen Abenden überall dem Frack wieder der Vorzug gegeben. Und dies um so mehr, seitdem sich bei allen gesellschaftlichen Veranstaltungen sehr viel zahlreicher auch wieder Uniformen zeigen. Immer gehört dann zu ihnen auch die große Ordensschnalle. Und wenn der Herr in Zivil auf sie oft auch statt der Miniaturkette verzichtet, so gibt es doch in diesem Fall für ihn keinen Zweifel über den richtigen Anzug, denn auch für Brustkreuze und Halsorden bleibt der einzige korrekte Hintergrund der breite weiße Pikee-Einsatz. Auch auf die Umgebung färbt das ab, denn die jüngere, noch nicht "dekorierte" Generation empfindet ebenso den Kontrast, den hier mit seiner schwarzen Schleife ein Smoking bedeuten würde, so daß sie das Frackdiktat ebenfalls anerkennt und das leere Knopfloch mit einer Blume schmückt.

Die schwarze Weste zum Frack gibt es nur noch bei einem besonders feierlichen Trauerzeremoniell.



Gelegenheiten für den Frack:

- Abendgesellschaften
- Ball
- Große Empfänge
- Herrenabende
- Hochzeitsessen
- Jagddiners
- Kostümfeste
- Oper
- Polterabende
- Spielsaal
- Tanzgesellschaften
- Tanzturniere
- Taufe
- Trauung am Nachmittag"


(c) Herrenjournal 1936

Freitag, 2. Januar 2009

Herrenjournal XII: Der schwere Mantel darf nicht fehlen

Da das neue Jahr mit eisigen Temperaturen beginnen soll, kann es nicht verkehrt sein, einmal dem richtigen Wintermantel mehr Beachtung zu schenken:

"Der Flauschmantel steht über der Jahreszeit


Was für jede Garderobe wichtig ist, das ist ein Mantel, der nicht auf eine bestimmte Saison eingestellt ist, ein Mantel, der die Qualität besitzt, in der kalten Jahreszeit ohne weiteres den Pelz entbehrlich zu machen, der aber trotzdem wieder nicht so winterlich wirkt, daß man ihn nicht auch bei unfreundlicher, naßkalter Witterung in den andern Monaten benutzen kann. Zwar nicht gerade für die Stadt, weil ein so schwerer Mantel dann beim Gehen lästig sein wird, aber überall da, wo man sich hauptsächlich beim Sitzen gegen Zug und kalte Luft schützen will: im offenen Wagen, auf dem Bock eines Jagdwagens, auf dem Deckstuhl bei einer Seereise und natürlich erst recht, wenn man in den Schnee fährt.



Gelegenheiten für schwere Mäntel: Autoreisen, Eisenbahn, Fahrsport, Nordlandreisen, Winterkurort



Immer entspricht da diesen Anforderungen der Flauschmantel, mag er nun als Kamelhaar- oder Magnatenmantel bezeichnet werden, und zwar am besten in dem gelblichen Naturton, weil dieser unabhängiger von der Jahreszeit macht als dunklere Farben."



(c) Herrenjournal, 1936