Montag, 9. November 2009

"Oktober in Lignano"....




....diese Anspielung auf den Titel "Oktober in Rimini" ist durchaus gewollt. Es ist der Titel eines zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratenen Film des grossen Luchino Visconti. Der damals noch schöne Helmut Berger und die unvergessene Romy Schneider schritten in diesem Film stundenlang am menschenleeren Strand entlang, in Gespräche über die Höhen und Niederungen der Zwischenmenschlichkeit vertieft.
Mich faszinierten schon seinerzeit vordergründig der metallicblaue Rolls Royce Silver Cloud, mit dem die beiden fast bis ans Wasser fuhren, der wunderbare, naturfarbene Kamelhaarmantel, dessen Kragen der schöne Helmut bis in die langen Haare hinauf hochgestellt trug und ......die Wahnsinns Licht- und Wetterstimmung am menschenleeren Strand.

Meine Familie machte wie (fast) jedes Jahr im Spätherbst bis Frühwinter für eine Woche (manchmal sind es zwei) Urlaub mit den Pferden in Italien. Dort ist es um diese Jahreszeit noch ein klein wenig wärmer als bei uns, es gibt es keine Touristen und an manchen Tagen das herrlichste Wetter zum Windsurfen, Drachenfliegen und Segeln. Immer aber ist es ein für Reiter und Pferde wunderbares Erlebnis und viel Freude, einmal so richtig endlos lang den menschenleeren Strand von "Sabbiadoro" ("Goldsand") rauf und runter zu "hacken".
Sabbiadoro , das ist unser "Oktober in Lignano" , statt Rimini, wie im Film.


Auf dem ab Mitte Oktober freien Sandstrand geht es dann so richtig zur Sache:


Camlot jr. wollte diesmal ein anderes, motorisiertes Pferd reiten....:


Alles was auf diesem Bild... :


...an feinen, teilweise rundgenähtem Zaumzeug und Lederriemen zu sehen ist, stammt aus einer kleinen, aber feinen Sattlerei in der Umgebung, irgendwo zwischen Lignano und Latisana. Einer der "Jungs" dort - keiner ist unter Fünfzig :-) - baut die prächtigsten Military-Sättel, ohne Chi-Chi , aber mit besten Passform-Eigenschaften für Reiter und Pferd.

Und seit etwas über einem Jahr werden dort auch Gürtel für Camlots' Custom Made angefertigt.





Bevorzugt nach Maß auf Kundenwunsch aus dem gleichen Leder wie die georderten CCM-Schuhe.




Gürtel mit fix vernähten Verschlüssen werden nach wie vor bei uns in Graz gemacht, doch die Nachfrage nach Gürteln mit der Möglichkeit, kundeneigene Schließen zu verwenden bzw. diese tauschen zu können - mal silber- mal goldfarben zum Beispiel - hat mich auf die Idee gebracht, solche Gürtel hier in Italien fertigen zu lassen. Ein Sattler hat dafür den besseren Zugriff auf Dinge, die man für die Wechselmöglichkeit benötigt und auch mehr Routine diese Teile anzuwenden, kommt derlei doch bei Vielem im Reitsport zur Anwendung.

Ich bin immer bestrebt, die Wünsche meiner Kunden bestmöglich und zu vertretbaren Preisen zu erfüllen. Wenn sich, wie hier, auch noch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden läßt und man abends am offenen Feuer bei "Cappuccino Rosso" ( so der Nickname des wunderbaren Vino della Casa aus den eigenen Reben von Freund Hercole, den er aus ehem. Mineralwasser-PET-Flaschen kredenzt :-) ) über die laufenden Bestellungen und die aktuellsten Reitturniererlebnisse parlieren kann - dann sitzen Glück und Zufriedenheit mit am Tisch.

Sonntag, 13. September 2009

Feinheiten der Maßarbeit Alter Schule III: Der "Zwickel"


Auf dem Foto gezeigt ist ein Sakko aus Harris Tweed von Meisterschneider Adamer, Graz, aus dem Jahr 1989.
Auf dem Foto sieht man den Zwickel (=Abnäher) den man verdeckt unter dem Revers einlegt, wenn das Sakko oben sehr schmal sein soll, trotzdem aber genug Platz bieten soll zum Einstecken einer Brieftasche etc. . Oder auch dann, wenn man das Revers kurvig will und die Kassur, die Trennlinie zum Oberkragen, sehr hoch und steil sein soll. Auf diese Weise kann man Stoff "wegnehmen" ohne daß man das sieht und es entstehen trotz räumlicher Bequemlichkeit keine Falten, der Drape hält sich sehr in Grenzen.

Abnäher oder "Zwickel" (österr. Schneidersprache) ) sind ein probates Mittel , um Textilien den Rundungen des menschlichen Körpers anzupassen. Man findet solche Abnäher ja bespielsweise auch an Hosen im Gesäßbereich oder an den Frontteilen von Damenkostümen. Perfektionisten setzen mitunter - natürlich möglichst unauffällig - solche Abnäher, um eine bessere Musterpassung zu erreichen, besonders bei sehr auffälligen Karo- oder Streifmustern.

Freitag, 21. August 2009

Feinheiten der Maßarbeit Alter Schule II : Der Sitzfleck...

Unter dem Sitzfleck versteht man ein in der Regel etwa tellergroßes Stoffstück, das mittels glatten Kappnähten im Schrittbereich von hochwertig gefertigten Herrenhosen innen angebracht wird. Je nach voraussehbarer Belastung und Kundenwunsch wird der Sitzfleck entweder aus dem Material der Hosentaschen angefertigt oder aus der Futterseide, mit der die Hosenbeine - meist nur im vorderen Oberschenkelbereich - gefüttert sind.
Der Sitzfleck erfüllt mehrere Aufgaben, sowohl nach "außen" - der Hose zuliebe - als auch nach "innen", dem Träger zuliebe.
Im Schrittbereich einer Herrenhose stoßen die nach innen umgebügelten Saumzugaben von vier Nähten kreuzförmig zusammen, die nun vom Sitzfleck abgedeckt werden. Es sind dies die Innennähte des linken und des rechten Hosenbeins , die vordere Mittelnaht nach dem Hosenschlitz und die hintere Mittelnaht, die sogenannte Gesäßnaht.
Der Sitzfleck schützt nun einerseits die Hose gegen verschiedene Belastungen durchs Tragen, wie beispielsweise erhöhten Verschleiß durch vieles Sitzen, Schweißeinwirkung, Scheuern beim Gehen , andererseits aber auch den Träger vor lästigem Schaben der Innennähte oder vor unschönen Schweißrändern , z.B. nach langen sommerlichen Autofahrten.
Der Tragekomfort von Herrenhosen wird durch einen richtig dimensionierten und sorgfältig verarbeiteten Sitzfleck wesentlich erhöht und ihre Haltbarkeit deutlich verbessert.

Samstag, 15. August 2009

Feinheiten der Maßarbeit alter Schule I. :


Hier sehen wir einen Anzug, bei dem gleich zwei der feinen Kniffe von Meistern der "Alten Schule" angewandt wurden:

1) zeigt den Abnäher ("Zwickel") auf Höhe der Schulterblätter.

2) zeigt den "split-collar" oder, wie die k.& k. - Meister sagten, den "gezwickten Kragen". Die Mittelnaht des Sakko-Rückens läuft dabei nach oben in den Kragen weiter und ermöglicht eine unvergleichlich "smoothe" Anpassung des Oberkragens an den Nacken.

Ursprünglich für "Problemfälle" ersonnen wurden diese Kunstgriffe bald zum sichtbaren Zeichen von exklusiver und teurer Maßarbeit und waren somit auch dann bei den Kunden begehrt, wenn sie für die Paßform eigentlich gar nicht zwingend notwendig waren.

Mittwoch, 4. März 2009

Herrenjournal XVIII: Der moderne Einreiher erhält seinen Charakter durch farbige Wäsche

"Der persönliche Geschmack in der Kleidung kommt heute hauptsächlich durch eine farblich ansprechende oder gar interessante Abstimmung zur Geltung und dem Hemd kommt in diesem Farbakkord seit einiger Zeit eine ganz besonders dominierende Stellung zu. Derart, daß man tatsächlich nach einem Grund sucht, wenn man irgendwo an Stelle eines farbigen Hemdes beim Tagesanzug ein weißes Hemd sieht.

Aber nicht allein die Möglichkeit, sich auf diese Weise eine größere Abwechslung zu schaffen, begründet das starke Interesse an dem farbigen Hemd, häufig erklärt sich seine Wahl vielmehr aus der Gelegenheit heraus. Weiße Manschetten sind nun einmal nicht überall praktisch. Wenn man - wie auf der Eisenbahn - Staub und Ruß zu nahe kommt, dann ist es bald aus mit ihrer Eleganz und damit auch mit dem gepflegten Eindruck. dann aber gibt es auch wieder manche Situation, wo weiße Wäsche zu kalt und unverbindlich wirkt und in einem hübschen farbenfrohen Bild wegen ihrer Nüchternheit stört. So hat der Anzug mit farbiger Wäsche heute tatsächlich oft eine ganz andere Aufgabe als der mit dem weißen Kragen, zumal es für gewisse Gelegenheiten sogar auch das gestärkte farbige Hemd gibt."




Gelegenheiten für den Einreiher mit farbiger Wäsche:

Büro - Eisenbahnreisen - Fahrsport (Land) - Flugzeugreisen - Frostwetter (Stadt) - Frühstück (Lunch) - Fünf-Uhr-Tee (Hotel) - Grillroom - Kaffeehaus - Kurort - Promenade - Reitturnier - Rennen - Restaurant (Bier-) - Riviera - Sportveranstaltungen
(c) Herrenjournal 1937

Donnerstag, 26. Februar 2009

Herrenjournal XVII: Der Standardsakko ist der Einreiher


"Mit weißer Wäsche zeigt er sich neutral, jedoch auch reserviert:

Wir haben uns heute an das farbige Hemd beim Straßenanzug so sehr gewöhnt, daß uns ein Sakko mit weißer Wäsche fast unmodern vorkommt und tatsächlich beinahe eine ganz andere Anzugart darzustellen scheint wie der flotter wirkende Einreiher mit farbigem Hemd. Wird nicht überhaupt durch weiße Wäsche zum Tagesanzug der Eindruck erweckt, als wolle man so einer Geschmacksprobe ausweichen oder dadurch seine Gleichgültigkeit gegen die Mode und damit auch gegen jede Anzugskultur zum Ausdruck bringen, so wird der Grund für die Wahl weißer Wäsche meist auf eine Taktfrage zurückzuführen sein. Nicht überall paßt eben ein farbiger, womöglich noch dunkelgrundiger Kragen hin. So sieht man ihn bei manchen Berufen nicht gern an dem Arbeitsplatz. Der Anzug soll hier ganz neutral wirken, und das ist verständlich. Aber diese Neutralität erreicht man auch schon durch einen weißen Kragen, der - gestärkt - auf einer farbigen Hemdbrust sogar sehr modisch und sehr reserviert aussehen kann.


Gelegenheiten für den Einreiher mit weißer Wäsche:

Büro und Geschäft - Frostwetter (Stadt) - Frühstück (Lunch) - Fünf-Uhr-Tee (Hotel) - Gartenfeste - Grillroom - Kafeehaus - Promenade - Reitturnier - Rennen - Restaurant (Bier-)"
Herrenjournal 1937

Mittwoch, 18. Februar 2009

Herrenjournal XVI: Jetzt kommen Donegals!

Der Winter will von Mitteleuropa einfach noch nicht lassen. Grund genug, eine weitere Kategorie des Mantels zumindest kurz anzuschneiden, nämlich den sportlichen Mantel, der vorzugsweise aus Tweed oder tweedähnlichen Stoffen besteht und in einer Vielzahl von Formen ausgeführt werden kann. Im Winter 1937 hielt man jedoch - nicht zu unrecht - Donegals für besonders geeignet:


"Wie bei den Anzügen der neuen Mode ist auch bei den sportlichen Mänteln diesmal keine Farbe ausgeschaltet. Besonders die Donegals - mit ihren bunten Noppen von jeher für farbige Wirkungen prädestiniert - haben in reichem Maße von dieser Erlaubnis Gebrauch gemacht, erscheinen sie jetzt doch ebenso Braun- oder Grün-Weiß wie Blau- oder Schwarz-Weiß. In dieser Lebendigkeit sind sie in erster Linie natürlich etwas für die Ulster (auch die Damenulster), für Reisemäntel und die einreihig durchgeknöpften Raglans, in braunen oder schwarzen Melangen verschmähen sie aber sogar auch die städtischen Slipons nicht, die für sich gern die Melone beanspruchen und es bisher hauptsächlich nur mit schlichten Unis hielten."
(c) Herrenjournal 1937



Mittwoch, 11. Februar 2009

Das Maßmodell III


"Der Dreiknopfsakko mit kurzem Revers. Unter den einreihigen Modellen ist der Sakko, bei dem von drei Knöpfen nur der mittelste geschlossen und der oberste von dem Revers überrollt wurde, seit vielen Jahren zweiffelos die populärste Form gewesen. Unter dem Einfluß des Edwardian-Style gibt man nun aber auch ihm insofern eine andere Front, als man den obersten Knopf nicht mehr von den Revers überrollen läßt, diese also kürzer hält. Trotzdem wird hier nur der mittlere Knopf geschlossen.

Die zweireihige Weste ohne Umschlag ist eine Neuheit der Auslandsmode. Da man gerade jetzt einreihige Westen wieder mit Chrochet arbeitet, verwundert diese Abänderung zunächst. Man ist hier aber von dem Gedanken ausgegangen, daß durch einen Westenumschlag bei geschlossenem Sakko Überschneidungen entstehen, die nicht vorteilhaft wirken.



Sportlicher Dreiknopfsakko. Falls man sich bei ihm nicht überhaupt für die besonders neuartige, aber auch dem Modewechsel mehr unterworfene geschlossene Front entscheidet, trägt man auch hier der neuen Tendenz durch kürzere Revers Rechnung. Der Brusttasche mit Patte zuliebe erhalten hier auch die aufgesetzten Seitentaschen Klappen. Die beiden Rückenschlitze lassen den neuen Jahrgang erkennen."
(c) Herrenjournal 1951

Donnerstag, 22. Januar 2009

Über die vielbeschworene Zeitlosigkeit

Manch ein Nutzer mag sich die Frage stellen, ob es denn für die heutige Zeit mit ihrem gefühlt modernen Modeverständnis sinnvoll sein kann, Artikel und Bilder aus alten Herrenmode-Magazinen der 30er bis 50er Jahre zu zitieren und zu betrachten. Die Antwort kann nur sein: Es kommt auf die Fragestellung an.

Wer mehr Sicherheit im Umgang mit Farb- und Stoffkombinationen erlangen will, für den sind die alten Farbtafeln ein wunderbarer Lehrmeister; ebenso für denjenigen, dem die Sicherheit fehlt, sich für gewisse Anlässe passend zu kleiden. 
Auch wer die breite Palette an unterschiedlichen Fassons nicht kennt, sollte einen Blick riskieren. 
Allein: Ein wenig Abstraktionsvermögen muß vorhanden sein. Denn die Schnittmuster unterliegen immer einem gewissen Zeit-Geschmack; sie taten es vor 80 Jahren und sie tun es heute. Wer aber bereit ist, die gesamte Distanz zu betrachten und dabei zu abstrahieren, der kommt dem, was zeitlose Herrenbekleidung meint, schon sehr nahe. Wer dies für sich zu akzeptieren bereit ist, der wird auch aus der Vergangenheit lernen und sicherer in die Zukunft schreiten.


links: Esquire, Mitte der 30er Jahre, rechts: The Sartorialist, Januar 2009, (c) Scot Schuman

Montag, 19. Januar 2009

Das Maßmodell II: Zweireihige Wintermäntel

Die erste Kältewelle ist in diesem noch jungen  Jahr schon an uns vorübergegangen, der Winter jedoch ist noch lang und so einige frostige Tage können uns durchaus noch bevorstehen. Wenn es also richtig kalt wird, können wir jede zusätzliche Stoffschicht gebrauchen;  hier glänzt dann die zweireihige Front. Wie unterschiedlich diese sich gestalten kann,  illustriert neben der Abbildung des Herzogs von Windsor der folgende Beitrag:




"Der zweireihige Raglan, vorwiegend aus Fischgratstoffen mit Noppeneffekten, fängt jetzt an, als Wintermantel dem Ulster Konkurrenz zu machen. Er verlangt bei seinem weiten Schnitt um diese Jahreszeit natürlich einen Ringgürtel. Auch schräge Taschen sind für ihn jetzt zweckmäßig, sie dürfen aber nicht von dem Gürtel überschnitten werden, damit man sie bequem als Muffe benutzen kann.

Der Ulster mit Ringkragen unterscheidet sich von dem Revers-Ulster dadurch, daß sein oberstes sichtbares Knopfpaar höher liegt als üblich, denn der Abstand von ihm bis zu dem vom Kragen verdeckten Knopfpaar muß hier dem Zwischenraum bei den anderen Knopfpaaren genau entsprechen. Da dieser Manteltyp stets vier sichtbare Knopfpaare hat, endet die Knopfreihe tiefer als beim normalen Ulster.



Ulster und Paletot mit schrägen Taschen. Nach diesem neuen Tip bringt die Wintermode wirklich sehr praktische Modelle heraus. Denn die muffartigen taschen werden in der kalten Jahreszeit sicher als sehr praktisch empfunden werden. Ungewöhnlich wirken die neuen Taschen zunächst besonders bei den Mänteln im Paletotcharakter, da bei diesen bisher ja immer, wegen der steigenden Rever

s, eine seriöse Front Voraussetzung war. Aber auch hier überwiegt jetzt die praktische Seite. Überdies haben die Paletots dann meistens die zwanglose Form der "Guard coats", bei denen man wegen ihres obligativen Rückengurts die Steiltaschen nicht als stilwidrig ansieht. Während sonst die Knopfreihe beim Ulster wesentlich tiefer heruntergeht als beim Paletot, zeigt sich bei den schrägen Taschen für beide Mäntel ziemlich das gleiche Bild, denn sie endet hier beim Ulster in Höhe des Taschenendes, das beim Paletot ein klein wenig tiefer liegt als das Schlußknopfpaar."




(C) Herrenjournal 1952

Montag, 12. Januar 2009

Herrenjournal XV: Inoffiziell und doch 'angezogen'. Die Aufgaben des zweireihigen Smokings

Im dritten Teil unser in Kleinauflage erschienenen Serie über die unterschiedlichen Spielarten der Abendgarderobe wollen wir nun dem zweireihigen Smoking seinen gebührenden Platz einräumen. Zwar wird man zu manch einer der damals ausgesprochenen Empfehlungen heutzutage weniger förmlich erscheinen wollen, die Grundaussage aber bleibt: Wir sollten die Anlässe wieder mehr zu würdigen wissen, und das drücken wir nach außen hin am wirksamsten durch unsere Kleiderwahl aus. Viel Spaß bei der Lektüre!

"Die Aufgaben des zweireihigen Smokings

Der zweireihige Smoking ist nicht nur eine einfache Variation seines einknöpfigen Bruders. Wäre er nur das, so hätte er sicher schon nach kurzer Zeit ausgespielt, denn jeder würde in diesem Fall stets die ursprüngliche Form des Smokings vorziehen, weil sie mit ihrer größeren Hemdbrust dekorativer wirkt. Gerade der üppige Pikee-Einsatz ist es andererseits aber wieder, der dem einreihigen Smoking gewisse Grenzen setzt. Er bindet ihn an die gleiche späte Stunde, wie sie dem Frack vorgeschrieben ist, und er hält ihn außerdem aus dem Kreis jener fern, denen der Sakko für den Abend genügt. Der zweireihige Smoking ist da weniger engherzig. Seine sich schon ziemlich hoch überschneidenden Revers lassen von dem Hemdeinsatz nicht mehr sehen als bei irgendeinem Sakko. So fällt der zweireihige Smoking, zumal er hauptsächlich mit Umlegekragen getragen wird, in der Gesellschaft dunkler Anzüge kaum auf, was ihm außerdem auch die Möglichkeit schafft, sich schon vor dem Abend zu zeigen. Allerdings ist er noch nichts für den 5-Uhr-Tee der Hotels, immerhin kann er aber bei einem Bridgenachmittag in einem Privathaushalt bereits in Aktion treten, wenn sich ein Imbiß anschließt. Darüber hinaus ist der zweireihige Smoking der gegebene Anzug für alle Gelegenheiten, bei denen man neben Abendgarderobe auch Sakkos vermutet. Unter sich sind beide Smokingmodelle natürlich gleichberechtigt. Spielt an einem Abend aber der Frack die Hauptrolle, dann ist für den zweireihigen Smoking, weil er nicht mit einer weißen Front aufwarten kann, die Lizenz aufgehoben.

Für die Stellung des zweireihigen Smokings ist bezeichnend, daß man ihn im Ausland als "semiformal" charakterisiert hat. Er ist infolgedessen auch hauptsächlich mitternachtsblau.




Selbstverständlich kann zum zweireihigen Smoking, genau wie zu jedem korrekten dunklen Sakko, auch der Klappenkragen getragen werden. Sein Hut ist der Homburg.


Gelegenheiten für den zweireihigen Smoking:

- Abendgesellschaften
- Bar
- Boxkämpfe
- Bridgeeinladungen
- Cocktaileinladungen
- Filmpremieren
- Herrenabende
- Kabarett
- Klubabende
- Konzerte
- Oper
- Reitturnier (Zuschauer am Abend)
- Spielsaal
- Sportfeste am Abend
- Taufe
- Theater
- Varieté
- Weinrestaurants
- Zirkus"

(c) Herrenjournal 1936

Samstag, 10. Januar 2009

Der einreihige Smoking, ein vielseitiger Abendanzug - Herrenjournal XIV: Beim einreihigen Smoking kommt es auf die Weste an

Nachdem wir zuletzt dem Frack seinen ihm zustehenden Platz eingeräumt haben, lohnt es sich nun, auch den Smoking in seiner ganzen Vielfalt zu beleuchten. Zwar liegen die Empfehlungen des Herrenjournals schon gute 70 Jahre zurück, an ihrer Gültigkeit - gerade im Bereich der Abendmode - hat sich jedoch nicht viel geändert. Man müßte sogar so weit gehen und sagen, daß heutzutage, wo ein wirklich nur noch verschwindend geringer Anteil der Männer in Deutschland einen Frack besitzt, der Smoking mit seinen vielfältigen Trageweisen um so wichtiger geworden ist. Kaum ein Kleidungsstück läßt sich so fein an abendliche Veranstaltungen anpassen wie der Smoking, bei dem schon kleine Änderungen des Beiwerks große Wirkung zeigen können:


"Der einreihige Smoking ist der einzige Abendanzug, der sich zwei Westen leisten kann, die schwarze wie die weiße, was weder dem Frack zusteht, der sich mit der weißen Weste begnügen muß, noch dem zweireihigen Smoking, bei dem eine weiße Weste ja völlig illusorisch wäre, weil man von ihr nie etwas zu sehen bekäme.
Natürlich kann man nicht wahllos entscheiden, ob man die weiße oder die schwarze Weste tragen will. Hier hat sich im Laufe der letzten Jahre vielmehr eine ganz feste Regel herausgebildet. Nämlich die: daß man sich zur weißen Weste nur entschließt, wenn der Abend in der Hauptsache dem Tanz gewidmet ist und außerdem unter den Teilnehmern des Festes womöglich viele im Frack erscheinen werden. Bei anderen Gelegenheiten die weiße Weste mitspielen zu lassen, ist in den meisten Fällen Überleganz, die der Mann von Geschmack vermeidet. Je nachdem, ob der Abend der weißen oder der schwarzen Weste gehört, unterscheidet man dann meistens heute auch die Zuteilung der Attribute, denn die verschiedenen Kopfbedeckungen haben hier ebenso wie die einzelnen Wäsche-arten und Schuhtypen nicht grundsätzlich das gleiche Recht.


Zur weißen Weste gehören:Steifes Hemd mit Klappenkragen, Chapeau claque oder schwarzer Demi-Homburg, Pumps oder Halbschuhe - Zur schwarzen Weste gehören: Steifes Hemd mit Klappenkragen oder Umlegekragen, schwarzer Demi-Homburg, Halbschuhe

Gelegenheiten für den einreihigen Smoking:

- Abendgesellschaften
- Bar
- Boxkämpfe
- Cocktail-Einladungen
- Filmpremieren
- Herrenabende
- Kabarett
- Klubabende
- Konzerte
- Oper
- Polterabend
- Reitturnier
- Restaurant (Wein-)
- Spielsaal
- Sportfeste am Abend
- Tanzabende an der See
- Tanzgesellschaften
- Taufe
- Theater
- Varieté
- Zirkus"
(c) Herrenjournal 1936

Dienstag, 6. Januar 2009

Die Ballsaison ruft! oder: Herrenjournal XIII: Der Frack läßt sich nicht mehr verdrängen

Jeder neue Jahresanfang bedeutet auch, daß man sich mitten in der Wiener Ballsaison befindet; und zu Bällen geht der Mann im Frack, so sollte man zumindest meinen. Da der Frack heutzutage ja zu jeder Gelegenheit derart totgeredet wird, daß viele schon gar nicht mehr wissen, wie ein Frack wirklich auszusehen hat, geschweige denn, zu welchen Anlässen man einen solchen trägt, sieht man mittlerweile auch bei großen Bällen häufig den Smoking. Wer sich darüber beschwert, wird dann vermutlich die Goldenen Zwanziger und auch die dreißiger Jahre bemühen, wo der Frack ja noch alltäglich gewesen sei.

Daß die Welt der Herrenbekleidung auch damals ihre Probleme hatte, obwohl es doch so zahlreiche Gelegenheiten für den Frack gibt, zeigt folgender Text aus einem Herrenjournal von 1936:



"Wie oft war es nicht schon so weit, daß es so schien, als wolle die Mode dem Frack das Lebenslicht ausblasen, um den Smoking an seine Stelle zu setzen! Aber die großen und wieder so ganz weiblichen Toiletten der Frauen haben ihn in seinem Kampf unterstützt. Sie wollten einen Partner neben sich sehen, der auch äußerlich ihrer würdig war und ihre Eleganz durch seinen Anzug noch unterstrich. So wird nun an besonders festlichen Abenden überall dem Frack wieder der Vorzug gegeben. Und dies um so mehr, seitdem sich bei allen gesellschaftlichen Veranstaltungen sehr viel zahlreicher auch wieder Uniformen zeigen. Immer gehört dann zu ihnen auch die große Ordensschnalle. Und wenn der Herr in Zivil auf sie oft auch statt der Miniaturkette verzichtet, so gibt es doch in diesem Fall für ihn keinen Zweifel über den richtigen Anzug, denn auch für Brustkreuze und Halsorden bleibt der einzige korrekte Hintergrund der breite weiße Pikee-Einsatz. Auch auf die Umgebung färbt das ab, denn die jüngere, noch nicht "dekorierte" Generation empfindet ebenso den Kontrast, den hier mit seiner schwarzen Schleife ein Smoking bedeuten würde, so daß sie das Frackdiktat ebenfalls anerkennt und das leere Knopfloch mit einer Blume schmückt.

Die schwarze Weste zum Frack gibt es nur noch bei einem besonders feierlichen Trauerzeremoniell.



Gelegenheiten für den Frack:

- Abendgesellschaften
- Ball
- Große Empfänge
- Herrenabende
- Hochzeitsessen
- Jagddiners
- Kostümfeste
- Oper
- Polterabende
- Spielsaal
- Tanzgesellschaften
- Tanzturniere
- Taufe
- Trauung am Nachmittag"


(c) Herrenjournal 1936

Freitag, 2. Januar 2009

Herrenjournal XII: Der schwere Mantel darf nicht fehlen

Da das neue Jahr mit eisigen Temperaturen beginnen soll, kann es nicht verkehrt sein, einmal dem richtigen Wintermantel mehr Beachtung zu schenken:

"Der Flauschmantel steht über der Jahreszeit


Was für jede Garderobe wichtig ist, das ist ein Mantel, der nicht auf eine bestimmte Saison eingestellt ist, ein Mantel, der die Qualität besitzt, in der kalten Jahreszeit ohne weiteres den Pelz entbehrlich zu machen, der aber trotzdem wieder nicht so winterlich wirkt, daß man ihn nicht auch bei unfreundlicher, naßkalter Witterung in den andern Monaten benutzen kann. Zwar nicht gerade für die Stadt, weil ein so schwerer Mantel dann beim Gehen lästig sein wird, aber überall da, wo man sich hauptsächlich beim Sitzen gegen Zug und kalte Luft schützen will: im offenen Wagen, auf dem Bock eines Jagdwagens, auf dem Deckstuhl bei einer Seereise und natürlich erst recht, wenn man in den Schnee fährt.



Gelegenheiten für schwere Mäntel: Autoreisen, Eisenbahn, Fahrsport, Nordlandreisen, Winterkurort



Immer entspricht da diesen Anforderungen der Flauschmantel, mag er nun als Kamelhaar- oder Magnatenmantel bezeichnet werden, und zwar am besten in dem gelblichen Naturton, weil dieser unabhängiger von der Jahreszeit macht als dunklere Farben."



(c) Herrenjournal, 1936