Samstag, 27. Februar 2010

Der "Knopferlkragen" . Auch zum Anzug im Business-Alltag.

Was den Button-Down-Collar anlangt, so ist dieser - im Gegensatz zu weitverbreiteten anderen Meinungen - durchaus auch zu businesstauglichen Tagesanzügen tragbar, finde ich :


Anzug aus Wolle/Seide v. CCM, Cloth by Wain Shiell
Button-Down-Maßhemd und Krawatte von CCM
Einstecktuch von Sulka



Downtown Manhattan ist BB-Soft-Roll zum Business-Look fast Pflicht, auch zu einfärbig dunklen Tagesanzügen. "Verboten" ist er lediglich zu sehr eleganten, "gedeckten" Anzügen wie Nadelstreif, Kreidestreif oder Gangster-Stripe, sowie generell zu allen Anzugjackets mit Spitzfasson. Und natürlich würde ich den "Knopferlkragen" (Terminus meines Master Cutters) auch zum noblen Zweireiher keinesfalls empfehlen. Egal, wie Commendatore Agnelli sel. darüber dachte.


Nocheinmal etwas "Wall-Street-Look" :





Anzug von CCM, Cloth by Ermenegildo Zegna
Fliederfarbenes Maßhemd aus Pearl-Oxford mit Button-Down-Collar von CCM
Krawatte von CCM
Einstecktuch von Don Gil



Das Beispiel zeigt ein bewußt sehr ruhiges, businesstaugliches upper-floors-ensemble, dem durch das Button-Down-Hemd und das unaufgeregte Stecktuch die Direktionszimmer-Strenge genommen wird.

Sohin beweist der Button-Down-Collar oder "Knopferlkragen" erneut, dass er die vielleicht vielseitigste Kragenform überhaupt ist.

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Freitag, 1. Januar 2010

Hochwertige Handarbeit schreit nicht: "Seht her!"


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Liebe Stilfreunde,

zu Beginn des Neuen Jahres möchte ich ein paar Betrachtungen zum vielberufenen Thema Hamdarbeit anstellen.
Wie in fast allen Diskussionen dieser Art haben auch in dieser die meisten Argumentationen einen hohen Wahrheitsgehalt. Es kommt eben, wie immer, auf den Standpunkt an, von dem eine Sache betrachtet wird. Ich will mich daher überhaupt nicht an der nur vom Einzelnen für sich selbst zu beurteilenden Frage nach dem vielzitierten "Preis-Leistungsverhältnis" beteiligen.
Sagen möchte ich allerdings - unfreiwillig berechtigt durch die fragwürdige "Gnade" der frühen Geburt - dass allerorten eine mehr als falsche Qualitätsbeurteilung von "Handarbeit" vorherrscht. Das von der Werbung gepushte Hochloben von Handarbeit als Luxus ( den man auch vorzeigen möchte ) hat dazu geführt, dass "Welligkeiten" und "typische Unregelmäßigkeiten" als Qualitätsmerkmale speziell bei handgearbeiteten Herrenanzügen gesehen werden. Gerade Luxusmarken bieten heutzutage zwar in vielen Fällen durchaus echt handwerklich verarbeitet Produkte an, die aber - absichtlich? - so augenscheinlich handgearbeitet sind, dass in früheren Zeiten mit solchen Werkstücken nicht einmal eine Lehrabschlußprüfung bestanden worden wäre.
Über Jahrhunderte (!!) war es das Bestreben jeden Meisters in jedem Beruf, seine Arbeit so präzise auszuführen, dass eben möglichst NICHTS von der Handarbeit augenscheinlich wurde.
"Handgemachte Anzüge sind eben wellig." - Wie bitte? Warum denn?
"Ein von Hand eingenähtes Futter erkennt man sofort an den Stichen." Wieso? Bei perfekt staffierter Futterverarbeitung haben die Stiche unsichtbar zu sein.
Und so weiter und so weiter.....
Kein Tischler möchte seine Hobel- und Schleifspuren hinterlassen, natürlich auch kein Autolackierer. Sichtbare Stöße bei Tapeten als Zeichen von Handarbeit? Igitt. Handgemachter Schmuck vom Juwelier mit unregelmäßigen Fassungen und Feilspuren an den Rändern? Wohl eher nicht.
Aber bei Anzügen, Hemden und Schuhen werden sogar absichtlich "Turbo-Spuren" von Handarbeit hinterlassen, teilweise sogar von Maschinen, die dem fehlgeleiteten Kunden etwas vorgaukeln, dass dieser aber leider auch vorgegaukelt haben will. Schade, denn diese Entwicklung führt dazu, dass es bald wirklich keine SchneiderInnen, WeißnäherInnen und SchuhmacherInnen geben wird , die Ihre Arbeit noch perfekt machen können. Oder wollen. Wozu auch? Es liegt am mündigen Kunden und dessen Nachfrage.

Viel Glück, Erfolg und Gesundheit für 2010 wünscht

Camlot
Gerald P. Marko

Montag, 9. November 2009

"Oktober in Lignano"....




....diese Anspielung auf den Titel "Oktober in Rimini" ist durchaus gewollt. Es ist der Titel eines zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratenen Film des grossen Luchino Visconti. Der damals noch schöne Helmut Berger und die unvergessene Romy Schneider schritten in diesem Film stundenlang am menschenleeren Strand entlang, in Gespräche über die Höhen und Niederungen der Zwischenmenschlichkeit vertieft.
Mich faszinierten schon seinerzeit vordergründig der metallicblaue Rolls Royce Silver Cloud, mit dem die beiden fast bis ans Wasser fuhren, der wunderbare, naturfarbene Kamelhaarmantel, dessen Kragen der schöne Helmut bis in die langen Haare hinauf hochgestellt trug und ......die Wahnsinns Licht- und Wetterstimmung am menschenleeren Strand.

Meine Familie machte wie (fast) jedes Jahr im Spätherbst bis Frühwinter für eine Woche (manchmal sind es zwei) Urlaub mit den Pferden in Italien. Dort ist es um diese Jahreszeit noch ein klein wenig wärmer als bei uns, es gibt es keine Touristen und an manchen Tagen das herrlichste Wetter zum Windsurfen, Drachenfliegen und Segeln. Immer aber ist es ein für Reiter und Pferde wunderbares Erlebnis und viel Freude, einmal so richtig endlos lang den menschenleeren Strand von "Sabbiadoro" ("Goldsand") rauf und runter zu "hacken".
Sabbiadoro , das ist unser "Oktober in Lignano" , statt Rimini, wie im Film.


Auf dem ab Mitte Oktober freien Sandstrand geht es dann so richtig zur Sache:


Camlot jr. wollte diesmal ein anderes, motorisiertes Pferd reiten....:


Alles was auf diesem Bild... :


...an feinen, teilweise rundgenähtem Zaumzeug und Lederriemen zu sehen ist, stammt aus einer kleinen, aber feinen Sattlerei in der Umgebung, irgendwo zwischen Lignano und Latisana. Einer der "Jungs" dort - keiner ist unter Fünfzig :-) - baut die prächtigsten Military-Sättel, ohne Chi-Chi , aber mit besten Passform-Eigenschaften für Reiter und Pferd.

Und seit etwas über einem Jahr werden dort auch Gürtel für Camlots' Custom Made angefertigt.





Bevorzugt nach Maß auf Kundenwunsch aus dem gleichen Leder wie die georderten CCM-Schuhe.




Gürtel mit fix vernähten Verschlüssen werden nach wie vor bei uns in Graz gemacht, doch die Nachfrage nach Gürteln mit der Möglichkeit, kundeneigene Schließen zu verwenden bzw. diese tauschen zu können - mal silber- mal goldfarben zum Beispiel - hat mich auf die Idee gebracht, solche Gürtel hier in Italien fertigen zu lassen. Ein Sattler hat dafür den besseren Zugriff auf Dinge, die man für die Wechselmöglichkeit benötigt und auch mehr Routine diese Teile anzuwenden, kommt derlei doch bei Vielem im Reitsport zur Anwendung.

Ich bin immer bestrebt, die Wünsche meiner Kunden bestmöglich und zu vertretbaren Preisen zu erfüllen. Wenn sich, wie hier, auch noch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden läßt und man abends am offenen Feuer bei "Cappuccino Rosso" ( so der Nickname des wunderbaren Vino della Casa aus den eigenen Reben von Freund Hercole, den er aus ehem. Mineralwasser-PET-Flaschen kredenzt :-) ) über die laufenden Bestellungen und die aktuellsten Reitturniererlebnisse parlieren kann - dann sitzen Glück und Zufriedenheit mit am Tisch.

Sonntag, 13. September 2009

Feinheiten der Maßarbeit Alter Schule III: Der "Zwickel"


Auf dem Foto gezeigt ist ein Sakko aus Harris Tweed von Meisterschneider Adamer, Graz, aus dem Jahr 1989.
Auf dem Foto sieht man den Zwickel (=Abnäher) den man verdeckt unter dem Revers einlegt, wenn das Sakko oben sehr schmal sein soll, trotzdem aber genug Platz bieten soll zum Einstecken einer Brieftasche etc. . Oder auch dann, wenn man das Revers kurvig will und die Kassur, die Trennlinie zum Oberkragen, sehr hoch und steil sein soll. Auf diese Weise kann man Stoff "wegnehmen" ohne daß man das sieht und es entstehen trotz räumlicher Bequemlichkeit keine Falten, der Drape hält sich sehr in Grenzen.

Abnäher oder "Zwickel" (österr. Schneidersprache) ) sind ein probates Mittel , um Textilien den Rundungen des menschlichen Körpers anzupassen. Man findet solche Abnäher ja bespielsweise auch an Hosen im Gesäßbereich oder an den Frontteilen von Damenkostümen. Perfektionisten setzen mitunter - natürlich möglichst unauffällig - solche Abnäher, um eine bessere Musterpassung zu erreichen, besonders bei sehr auffälligen Karo- oder Streifmustern.

Freitag, 21. August 2009

Feinheiten der Maßarbeit Alter Schule II : Der Sitzfleck...

Unter dem Sitzfleck versteht man ein in der Regel etwa tellergroßes Stoffstück, das mittels glatten Kappnähten im Schrittbereich von hochwertig gefertigten Herrenhosen innen angebracht wird. Je nach voraussehbarer Belastung und Kundenwunsch wird der Sitzfleck entweder aus dem Material der Hosentaschen angefertigt oder aus der Futterseide, mit der die Hosenbeine - meist nur im vorderen Oberschenkelbereich - gefüttert sind.
Der Sitzfleck erfüllt mehrere Aufgaben, sowohl nach "außen" - der Hose zuliebe - als auch nach "innen", dem Träger zuliebe.
Im Schrittbereich einer Herrenhose stoßen die nach innen umgebügelten Saumzugaben von vier Nähten kreuzförmig zusammen, die nun vom Sitzfleck abgedeckt werden. Es sind dies die Innennähte des linken und des rechten Hosenbeins , die vordere Mittelnaht nach dem Hosenschlitz und die hintere Mittelnaht, die sogenannte Gesäßnaht.
Der Sitzfleck schützt nun einerseits die Hose gegen verschiedene Belastungen durchs Tragen, wie beispielsweise erhöhten Verschleiß durch vieles Sitzen, Schweißeinwirkung, Scheuern beim Gehen , andererseits aber auch den Träger vor lästigem Schaben der Innennähte oder vor unschönen Schweißrändern , z.B. nach langen sommerlichen Autofahrten.
Der Tragekomfort von Herrenhosen wird durch einen richtig dimensionierten und sorgfältig verarbeiteten Sitzfleck wesentlich erhöht und ihre Haltbarkeit deutlich verbessert.

Samstag, 15. August 2009

Feinheiten der Maßarbeit alter Schule I. :


Hier sehen wir einen Anzug, bei dem gleich zwei der feinen Kniffe von Meistern der "Alten Schule" angewandt wurden:

1) zeigt den Abnäher ("Zwickel") auf Höhe der Schulterblätter.

2) zeigt den "split-collar" oder, wie die k.& k. - Meister sagten, den "gezwickten Kragen". Die Mittelnaht des Sakko-Rückens läuft dabei nach oben in den Kragen weiter und ermöglicht eine unvergleichlich "smoothe" Anpassung des Oberkragens an den Nacken.

Ursprünglich für "Problemfälle" ersonnen wurden diese Kunstgriffe bald zum sichtbaren Zeichen von exklusiver und teurer Maßarbeit und waren somit auch dann bei den Kunden begehrt, wenn sie für die Paßform eigentlich gar nicht zwingend notwendig waren.

Mittwoch, 4. März 2009

Herrenjournal XVIII: Der moderne Einreiher erhält seinen Charakter durch farbige Wäsche

"Der persönliche Geschmack in der Kleidung kommt heute hauptsächlich durch eine farblich ansprechende oder gar interessante Abstimmung zur Geltung und dem Hemd kommt in diesem Farbakkord seit einiger Zeit eine ganz besonders dominierende Stellung zu. Derart, daß man tatsächlich nach einem Grund sucht, wenn man irgendwo an Stelle eines farbigen Hemdes beim Tagesanzug ein weißes Hemd sieht.

Aber nicht allein die Möglichkeit, sich auf diese Weise eine größere Abwechslung zu schaffen, begründet das starke Interesse an dem farbigen Hemd, häufig erklärt sich seine Wahl vielmehr aus der Gelegenheit heraus. Weiße Manschetten sind nun einmal nicht überall praktisch. Wenn man - wie auf der Eisenbahn - Staub und Ruß zu nahe kommt, dann ist es bald aus mit ihrer Eleganz und damit auch mit dem gepflegten Eindruck. dann aber gibt es auch wieder manche Situation, wo weiße Wäsche zu kalt und unverbindlich wirkt und in einem hübschen farbenfrohen Bild wegen ihrer Nüchternheit stört. So hat der Anzug mit farbiger Wäsche heute tatsächlich oft eine ganz andere Aufgabe als der mit dem weißen Kragen, zumal es für gewisse Gelegenheiten sogar auch das gestärkte farbige Hemd gibt."




Gelegenheiten für den Einreiher mit farbiger Wäsche:

Büro - Eisenbahnreisen - Fahrsport (Land) - Flugzeugreisen - Frostwetter (Stadt) - Frühstück (Lunch) - Fünf-Uhr-Tee (Hotel) - Grillroom - Kaffeehaus - Kurort - Promenade - Reitturnier - Rennen - Restaurant (Bier-) - Riviera - Sportveranstaltungen
(c) Herrenjournal 1937