Donnerstag, 11. Dezember 2008

Herrenjournal X: Blau für den Interimssakko

"Wenn man mit seiner Garderobe für alle Gelegenheiten gerüstet sein will, dann ergibt sich immer wieder, daß man unbedingt einen Anzug braucht, der zwischen dem üblichen Tagessakko und dem Abenddreß rangiert, einen Anzug also, der zurückhaltend in Farbe und Dessin ist. Diesen Anspruch erfüllt am besten natürlich der schwarze Sakko. Mit silbergrauem Langbinder macht man mit ihm eine gute Figur bei Konferenzen, und mit schwarzer Krawatte hat man ihn ihm einen richtigen Anzug bei Trauerfällen. Gibt man ihm aber eine diskrete Schleife, dann ist er wie geschaffen für kleine Tänzereien oder Theaterabende, für die der Smoking aus irgendeinem Grunde zu anspruchsvoll ist.
Aber mit diesem schwarzen Sakko hat es einen Haken. Man hat doch im allgemeinen zu wenig Verwendung für ihn. Und so ist er an sich eine kostspielige Angelegenheit. Fast gar nicht kann man ihn ja für die Tagesarbeit benutzen. Ganz sicher wird man dann nämlich immer wieder gefragt: "Was haben Sie denn heute vor?" Und tatsächlich hat man in diesem offiziellen Anzug zu den Lasten, die einem der Tag auferlegt, zuviel Distanz, so daß die Arbeit in ihm meist nicht flott genug von der Hand geht.
So kommt man also für diese Verwendung auch jetzt erneut zurück auf den dunkelblauen Sakko, da er eigentlich überall den Platz einnehmen kann, den die Mode an sich für den schwarzen Sakko bestimmt hat. Denn er ist diesem überlegen, weil er sich auch durchaus mit farbenfreudigem Beiwerk kombinieren läßt, so daß er dann in keiner Weise mehr einen offiziellen Eindruck macht und man ihn infolgedessen wie jeden anderen Tagessakko verwenden kann.
Wie oft hat die Mode schon versucht, für den "Interimssakko" irgendeinen anderen Vorschlag zu machen. Aber nach kurzer Zeit schon hat sie dann stets ihre Idee wieder aufgegeben. Jedenfalls hat in diese Mission weder der graue Anzug restlos befriedigt noch der braune. Jener nicht, weil man ihn zu dunkel wählen müßte, wodurch er leicht das Aussehen eines Altherrenanzugs bekommt, dieser aber nicht, weil er selbst im Havannaton für Abendveranstaltungen doch noch zu farbig ist. Bei dem marineblauen Sakko aber wird man diesen Einwand nicht erheben, denn er sticht in der Farbe ja kaum ab von dem Mitternachtston der Smokings (s. Abbildung)."


(c) Herrenjournal 1951

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