Donnerstag, 30. Oktober 2008

Die Sakkotypen des Frühjahrs III: Der Büroanzug

"Abgesehen von einem möglichst unauffälligen Dessin, das es gestattet, mit Hemd- und Krawattenmuster ohne Komplikationen zu operieren und hier immer wieder für Abwechslung zu sorgen, sind für den Anzug, den man als Büroanzug nominieren könnte, folgende beide Faktoren von Bedeutung: Hat man nicht gerade einen Beruf, in dem man "à quatre épingle" angezogen sein muß, dann wird man für den Arbeitstag meist dem zwanglosen Anzugsstil den Vorzug geben vor den allzu korrekten Modellen. Also kein Promenaden- oder Teeanzug in der Art des eleganten Zweiknopfsakkos mit hohem steigendem Revers oder tiefgeschnittener zweireihiger Weste. Und dann ist es auch nicht gerade sehr bequem, wenn man an seinem Schreibtisch mit einem Zweireiher sitzt. Denn, wenn man nicht will, daß sich bei ihm in der Magengegend häßliche Querfalten einnisten, muß man ihn immer wieder aufknöpfen, wenn man sich mal erhoben hatte; immer daran zu denken, fällt manchem aber recht lästig. So ist denn der Einreiher mit dem solide fallenden Revers hier die passende Anzugsgattung.


Keineswegs braucht nun aber ds Modell simpel zu sein. Die neue Saison stellt diesmal sogar eine Form mit hochmodischen Akzenten heraus, basierend auf dem "Edwardian-Style", der überdies den Vorzug hat, daß seine charakteristischen Eigenschaften zugleich auch praktisch sind. Dies gilt von der nur oben geschlossenen Front ebenso wie von den beim Sitzen bequemen schrägen Taschen, auf die sich aus diesem Grunde ja auch die Reiter festgelegt haben.

Und schließlich sind auch die um die Jahrhundertwende üblichen und heute wieder populär werdenden Ärmelaufschläge nicht ganz ohne Sinn, denn man kann sie schnel als "Mementa" verwenden, wenn man sich eine Notiz gemacht hat, die man nicht verlegen möchte.

Den Stil der Jahrhundertwende aufnehmend auch wieder Kragennadel, teils bei Windsorform, Pendantmöglichkeiten bei Krawatte und Strumpf. Neben Camber (Model Wegener) und Snaphrim (Modell Rockel) auch Melone. Da fallende Revers: Fullbrogues zulässig.


Bei diesem Sakko hat man es denn auch mit dem Beiwerk insofern verhältnismäßig leicht, als man bei einem Modell dieser Art kaum irgendwelche Einschränkungen zu machen braucht. Gegen den gesteiften weißen Kragen läßt sich hier ebensowenig einwenden wie gegen ein farbiges Hemd mit Nadelkragen. Auch Krawatte, Taschentuch und Strümpfe können ebenso diskret als auch auf Farben eingestellt sein. Und neben den verschiedenen Hutformen bringt sich gerade hier auch die Melone wieder in Erinnerung, weil auch sie ihre Blüteperiode in der Zeit Edwards VII. hatte. Womit dieser Anzug beweist, daß er bei so verschiedenen Zusammenstellungen auch noch eine Qualifikation für allerlei andere Gelegenheiten besitzt."

Sonntag, 26. Oktober 2008

Herrenjournal IX: Überall neues Interesse für Grün

"Nur durch Übertreibungen kommen Moden zu Fall. Und so ist es auch mit Grün gewesen. Nach dem ersten Weltkrieg war es einmal Favoritenfarbe gewesen, vielfach mit lila Streifen durchsetzt, auf die sich dann in Bischofs- oder Auberginetönen die Krawatten eingestellt. Jeder wollte sich damals gern mit einer ähnlichen Zusammenstellung zeigen. Und das hatte dann natürlich zum Resultat, daß jene, die in der Mode den Ton angaben, von diesem Experiment sehr bald wieder abließen.

Die Herrenmode war in jener Zeit eben noch nicht reif für Farben, die von der üblichen Basis so weit abrücken. Erst als der kombinierte Sportanzug sich endgültig durchgesetzt und man sich für ihn von Saison zu Saison nach immer neuen Paarungen für Jackett und Beinkleid umsah, gab man diesen konservativen Standpunkt allmählich auf. Aber auch jetzt noch immer mit einer gewissen Reserve dem Grün gegenüber. Denn in den Modeateliers hatte man es noch in Erinnerung, daß man vor Jahren auf den grünen Stoffen sitzen geblieben war.


Nicht noch einmal wollte man dieses Risiko eingehen, und so stieß jede Initiative der Industrie und des Großhandels, die hier von Zeit zu Zeit, der Auslandsmode entsprechend, für die grünen Farben unternommen wurde, auf ein Veto der Abnehmer.

Inzwischen ist nun eine neue Generation herangewachsen, die von den alten Vorurteilen nichts mehr weiß, aus dem Sportmilieu heraus in modischen Dingen sehr viel mutiger denkt und dabei vor allem auch Freude an schönen Farben hat. So ist denn neuerdings auch die ehemals vorhandene ängstliche Abneigung gegen grüne Töne jetzt völlig verschwunden. In allen Kollektionen ist das zu erkennen. Angefangen bei den Anzugsstoffen über das Beiwerk jeder Art bis zu den Garbardines für Regenraglan und Trenchcoat.

Das größte Interesse an den neuen Chancen für Grün nimmt man naturgemäß bei dem Campusstil. Weder bei den Glenchecks noch bei den Fischgratstoffen oder den diagonalgerippten Tweeds geht man da an dieser Farbe vorüber, ebensowenig wie bei den Glenchecks oder den neuen, breiten Bandstreifen. Und das Grün tritt dann dabei bald flächig auf, bald auch nur in den Effekten, so daß tatsächlich jede Monotonie vermieden wird. Ganz abgesehen auch davon, daß es hier selbstverständlich allerlei farbliche Abstufungen gibt, vom zarten Malachitgrün über das schon klassisch gewordene Lovatgrün bis zum neuen bläulich schimmernden Guatemalagrün.

So lassen sich denn hier allerlei recht abwechslungsreiche Zusammenstellungen schaffen, so daß man der grünen Note keineswegs so leicht überdrüssig wird. Zu achten hat man nur darauf, daß, wenn in einer Zusammenstellung grüne Töne zwei- oder gar dreimal auftreten, diese sich nicht unmittelbar berühren und immer irgendwie durch eine eingeschobene Farbe neutralisiert werden. Denn es wäre zuviel des Guten, würde man etwa ein moosgrünes Jackett nun noch mit einer resedagrünen Hose kombinieren oder einen efeufarbenen Pullover mit einem olivegrünen Hemd. Etwas anders präsentiert sich da die Verbindung zwischen einer akzenthaft wirkenden Taxuskrawatte mit einem Hemd, das zwar durch grüne Streifen oder ebensolche Karos gleichfalls diese Mode mitmacht, das Dessin aber auf einem grauen, weißen oder champagnerfarbenen Grund zeigt.

Darüber hinaus aber läßt sich auch gerade hier sehr gut mit dem Pendantgedanken operieren. Denn es wird immer einen sehr gepflegten Eindruck machen, wenn man - bei einem grauen Flanellanzug etwa - eine grüne Krawatte durch gleichfarbene Socken ergänzt oder passend zum Filz des Hutes die Kante des Taschentuches hält. Auch Hut und Krawatte kann man im gleichen Sinne aufeinander abstimmen, ja, hier in diese Entente möglicherweise sogar noch den Strumpf mit einbeziehen. Wobei dann allerdings das Maximum an Wiederholung der Farbe erreicht ist."

(c) Herrenjournal 4/1950

Samstag, 18. Oktober 2008

Die Sakkotypen des Frühjahrs II: Der Stadtzweireiher

Während bei den einreihigen Anzügen die Meinungsverschiedenheiten darüber noch weiter bestehen, ob der formlosen amerikanischen Silhouette mit den Hängeschultern oder dem englisch orientierten Stil mit den strengen Konturen der Vorzug gegeben werden soll - in der Debatte hierüber ist es im übrigen kürzlich sogar in den USA zu einem "Unentschieden" gekommen - scheidet diese Frage bei dem zweireihigen Sakko eigentlich so gut wie ganz aus. Mit seiner doppelten Knopffront, die ja immer etwas an der Taillenbetonung interessiert ist, verträgt sich eben die saloppe amerikanische Auffassung nicht. So ist es denn nicht verwunderlich, daß bei dem Zweireiher, nachdem hier eine Zeitlang die Tiefknopfstellung der Yankees den Ton angegeben, sich allmählich wieder der englische Geschmack durchsetzt. Die Knopfreihen machen nun also vorwiegend Halt in Höhe des Tascheneinschnittes, und dabei überwiegt dann sogar die Standardform, bei der nur der mittlere Knopf geschlossen wird, ohne daß sich deswegen aber die Reverslänge verkürzt, da man den Kragen verhältnismäßig kurz hält. Neben dem hochangesetzten Revers sind es dann noch die zur Zeit hier fast unerläßliche Billettasche und die langen Seitenschlitze, die den Zweireiher trotz der konservativen Schablone zu einem Modell up to date machen.


Beim Beiwerk fällt das come back des weißen, oft gerundeten steifen Kragens auf, auch zum pastellfarbenen Hemd. Hut im Homburgstil, dementsprechend ruhige Krawatte, etwa Medaillondessins, sowie seriöse Strümpfe; bei schwarzem Hut auch schwarze Schuhe.

Eine gewisse Veränderung erfährt dieser Anzugstyp nun auch noch dadurch, daß man be ihm weit weniger als bisher prägnante Streifen sehen wird, sondern kleine Figuren, die aber mit farbigen Effekten - sogar als Fensterkaros - kombiniert sind. Die Grundtendenz bleibt deswegen sogar bei diesem Sakkotyp seriös. Das Ausland stellt ihn darum auch ausdrücklich als "Aprés-midi-Anzug" heraus. Was dann wieder ganz bestimmte Hinweise für das Beiwerk ergibt. Am auffälligsten ist dabei die Rückker des weißen gesteiften Kragens, auf den man insofern noch besonders aufmerksam wird, als er hier neuerdings mit abgerundeten Ecken auftritt und vielfach aufgeknöpft auf ein pastellfarbenes Hemd. Das gibt eine sehr distinguierte Kombination, der man bei der Krawatte am besten durch abgesetzte Figuren oder Medaillons gerecht wird. Ein heruntergeklappter Hut hat dabei dann natürlich nichts zu suchen, denn in diesem Ensemble hat ein Recht allein die moderne Camberform, zum Teil in Mitternachtsblau und dann mit schwarzen Halbschuhen.



Montag, 13. Oktober 2008

Herrenjournal VIII: Der Gesellschaftssakko für den Tag und Abend

"Bei einem ausländischen Konsul fand sich kürzlich um die Teestunde eine kleine auserlesene Gesellschaft zusammen. Im Nebenzimmer waren schon die Bridgetische aufgeschlagen, und nach dem lezten Robber wurde noch einmal auf Serviertischen ein kaltes Buffet hereingerollt. Unter den Herren aber entspann sich jetzt eine angeregte Diskussion über das Thema: "Wer hat nun eigentlich von uns den richtigen Anzug an?" Denn da waren vertreten: Ein brauner und ein dunkelblauer Zweireiher, ein einreihiger Marengo-Sakko mit grauem Beinkleid und sogar ein Smoking.
Der Herr mit der Cuthose berief sich darauf, daß er nicht angenommen habe, die Einladung würde sich auch noch auf einen Abendimbiß erstrecken. Der Südländer rechtfertigte sein Dinnerjackett damit, daß ja schon die Lichter gebrannt hätten, als er auf die Hausklingel gedrückt habe. Die Herren im Zweireiher aber nahmen den Standpunkt ein, daß für solche Parties, deren Ende man vorher nie genau abzuschätzen weiß, weder gesellschaftliche Tages-Sakko in Betracht käme noch ein offizieller Abendanzug, durch den man möglicherweise die Gastgeber leicht in Verlegenheit bringen könnte. Für sie war darum der dunkle einheitliche Sakko, ergänzt durch eine diskret gemusterte Schleife, der einzig richtige Anzug für eine Gelegenheit dieser Art. Und man ließ sich denn auch von ihnen überzeugen.
Für den Sakko mit gesellschaftlichem Charakter gibt es aber heute noch eine ganze Anzahl von anderen Verwendungsmöglichkeiten, und so ist er jetzt zweifellos zu einem wichtigen Bestandteil in der Garderobe des Herrn geworden.
Über seinen Stil aber herren noch immer mancherlei Meinungsverschiedenheiten, so daß hier einmal einige Fragen geklärt werden müssen.

Zunächst folgendes: Der Gesellschaftssakko soll ja ebenso am Tage an Stelle des Cuts wie am Abend als Smokingersatz verwendet werden. Verlangt man nun von einem Anzug, daß er beiden Situationen gerecht wird, dann gibt es hier gar keine andere Lösung als die, Jackett und Beinkleid aus gleichem Stoff zu fertigen. Denn die graue Hose ist am Abend immer deplaciert, genau so wie der Cut selbst; andererseits aber geht es bei gesellschaftlichen Tagesveranstaltungen auch einmal ohne graues Beinkleid. Die Fasson des Sakkos - ob einreihig oder zweireihig - hat demgegenüber nur geringe Bedeutung. Will man jedoch bei dieser Anzugsgattung deutlich einen Trennungsstrich machen zwischen Tages- und Abendkleidung, dann stehen sich hier folgende Modelle gegenüber: Bis zum Nachmittag der Einreiher - natürlich mit steigendem Revers -, kombiniert durch das graue Beinkleid. Und für den Tagesausklang der komplette Zweireiher mit Tiefknopfstellung, wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem Schnitt des modernen Smokings.




Dazu wäre im einzelnen noch folgendes zu sagen: Die Mode ist augenblicklich zwart wieder sehr an der zweireihigen Phantasieweste interessiert, dennoch sollte zum einreihigen Gesellschafts-Sakko, da man sich nicht überall einen so prononcierten Akzent leisten kann, stets auch eine Weste aus gleichem Material wie das Jackett mitbestellt werden. In der Regel wird diese Weste wohl ebenfalls eine einreihige Fasson haben und dann nach der letzten Parole mit drei Knöpfen sichtbar sein, da man sich in diesem Fall an die nur zweiknöpfige Sakkofront hält. Mit dem gestreiften Beinkleid zusammen gibt das dann eine distinguierte, wenn auch sehr ruhige Kombination. Eleganter wirkt dieser einreihige Vertreter des Cuts allerdings, wenn man ihn durch eine zweireihige Weste ergänzt. Ihr muß man aber, will man die zweireihige Sakkofront beibehalten, schon einen recht breiten und langen Umschlag im englischen Geschmack geben, damit die Front nicht zu viel Überschneidungen zeigt. Auch wenn diese Weste aus dem Sakkostoff gearbeitet wird, macht sie einen sehr individuellen Eindruck. Wählt man aber für sie ein helles Material - heute Sandfarben mehr bevorzugt als Grau -, dann läßt sich auf diese Weise auch der Einreiher mit gleicher Hose als ausgesprochener Gesellschafts-Sakko verwenden. Mit dem grauen Beinkleid zusammen, für das in diesem Fall Unis und Glenchecks bevorzugt werden, hat man aber natürlich auch in dem zweireihigen Sakko einen vollwertigen offiziellen Tagesanzug. Woraus sich ergibt, daß auch hier entschieden am ratsamsten die Anschaffung eines zweireihigen Anzugs ist, den man dann gegebenfalls durch eine Phantasieweste oder ein Cutbeinkleid noch intensiver als Tagessakko herausstellen kann.

Allerlei Variationen gibt es da dann noch für das Beiwerk. Hat der Sakko die Mission des Cuts, so ist ihm nämlich für das Hemd auch ein pastellfarbener Ton - etwa ein Lachs - oder sogar eine Brust mit Querstreifen erlaubt, bei den Kragen aber rangiert am Tage wie am Abend der zwanglose Umlegekragen in der modernen Kentform gleichberechtigt neben dem korrekteren Klappenmodell, zu dem man aber den Langbinder vermeidet. Ist dieser dagegen - bei einem Umlegekragen - am Tage mit im Spiel, dann werden heute hier hellgraue und nur wenig gemusterte Krawatten den dunklen Streifendessins entschieden vorgezogen, besonders wenn die Krawatte zur dunklen Weste getragen wird.

Die korrekte Ergänzung zu diesem Gesellschafts-Sakko bildet dann der schwarze weiche Filzhut, der hier immer mehr den so lange gültigen grauen Homburg abgelöst hat. In der bordierten Form gehört er natürlich nur zum Tages-Gesellschafts-Sakko, den man heute der Unterscheidung wegen als "Besuchsanzug" bezeichnet. Und so findet denn hier jetzt eigentlich mehr Verwendung der nicht eingefaßte schwarze Filz, der - als "Eden" bekannt geworden - für den Abend zum sogenannten "Partysakko" die allein richtige Fasson darstellt, und der sich überdies durch einen etwas breiteren Rand auch der gegenwärtigen Mode besser anpassen läßt."


(c) Herrenjournal 2/1950

Samstag, 11. Oktober 2008

Die Sakkotypen des Frühjahrs I: Der Stadteinreiher

Zwar hat vor kurzem erst der Herbst begonnen, aber da die Planung einer jeden vernünftigen Garderobe bzw. auch Neuanschaffung rechtzeitig geplant sein will, sollte man auch jetzt schon den einen oder anderen Gedanken an den Frühling verschwenden. So sieht es auch das Herrenjournal:

"Seit längerer Zeit gibt es zum erstenmal wieder bei den einreihigen Sakkos ein Modell, das insofern eine Sonderstellung einnimmt, als sein Aktionsradius verhältnismäßig begrenzt ist, denn diese Fasson ist vornehmlich für die Bannmeile der Großstadt bestimmt. Und zwar durch die korrekte Note, die diesem Sakko durch seine steigenden Revers zudiktiert wird. Der Anzug erhält durch diesen Schnitt einen Stil, der für das Beiwerk fast noch verpflichtender ist als beim Zweireiher, der sich, wenn er aus einem Cheviot gearbeitet wird, schließlich auch einmal zwanglosere Attribute wie etwa den Snapbrim leisten kann. So rangiert dieser Einreiher in gewisser Beziehung heute beinahe noch vor dem zweireihigen Anzug. Um so mehr, da man ihn hauptsächlich als Zweiknopfsakko arbeitet und er dann mit einer zweireihigen Weste oder einer Phantasieweste kombiniert wird, was seine Eleganz noch mehr unterstreicht.

Der seriöse Eindruck dieses Modells wird noch dadurch betont, daß man bei ihm alle prononcierten Muster vermeidet. Mit besonderer Vorliebe wendet man sich daher hier den Diagonalstoffen zu, die man dann besonders in Braun oder Grau wählt. In Dunkelblau oder in einem schwarzen Panamastoff hat dieses Modell aber geradezu festlichen Charakter, und es kann dann ebensogut als gesellschaftlicher Tagesanzug wie auch als kleiner Abendanzug - in diesem Fall natürlich mit Schleife - verwendet werden.


Der Stadteinreiher mit steigendem Revers bekommt eine besonders elegante Note durch die zweireihige Weste; Vielfach in Uni gehalten, belebt man diesen Anzug gern durch ein gestreiftes Hemd mit Querfront, das als Basis dienen kann für eine Krawatte mit Bandelierstreifen. Auch bei den Strümpfen empfehlen sich Streichen. Der steigenden Revers wegen nur Halfbrogues, keine Flügelkappen. Ebenso nur camberartige Hüte und kein Snab.

Die Exklusivität dieses Modells ist nun aber keineswegs ein Hinderunsgrund, es durch dekoratives oder farbiges Beiwerk zu ergänzen. Das trifft besonders für Hemd und Krawatte zu. Denn der ruhige Stoff, der heir zur Verarbeitung kommt, kann dies durchaus vertragen. So hält man sich hier, um keinen zu monotonen Eindruck zu machen, bei dem Hemd, zu dem natürlich ein Speerkragen gehört, an klassische Streifen - auf der Brust horizontal verlaufend - und bei den Krawatten meist an leuchtende Farben, unter Beschränkung auf ruhigen Fond.
Sofern der Sakko als Promenadenanzug getragen wird, können ihn natürlich - in harmonischer Beziehung zu Hemd und Krawatte - auch Strümpfe und Taschentuch diskret beleben. Und ausnahmsweise sogar auch einmal Handschuhe, wie bei allen Anzügen, die in der Klasse des Homburgstils rangieren und sich demzufolge also nur mit korrekten Hüten sehen lassen.


(c) Herrenjournal 4/1951

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Herrenjournal VII: Was gibt es heute für Revers?

1. Kerbrevers mit langem Aufschlag; 2. "Knizerevers" mit abbrechender Spiegelnaht; 3. Fallende Revers in der gestutzten Mayerlingform

"Die Frage der Revers - in den letzten Jahrzehnten durch die einreihige und zweireihige Schablone beinahe ganz unkompliziert -beginnt neuerdings wieder recht interessant zu werden. Fast wie in der Zeit zwischen Empire und Zweitem Kaiserreich, als sich die Phantasie zwischen Kragengrenze und Rockaufschlag in vielerlei Einschnittsformen auslebte. Denn schon gibt es heute bei den Revers für den sachverständigen Blick des Fachmannes wieder rund 20 Variationen.
Gegenüber der Biedermeierzeit sind diese aber nicht Produkte eines augenblicklichen Einfalls, der sie bald hier bald da verwendet, sondern in der Hauptsache aus stilistischen Erwägungen heraus geboren. Ganz unwillkürlich hat sich das ergeben, nachdem in den letzten Saisons besonders bei den Jacketts allerlei Fassons hinzugekommen sind, mit neuen Ansprüchen und Ideen, und man auf diese Weise die Details bei den einzelnen Anzugarten genauer präzisiert und gegeneinander abgregrenzt hat. Die Revers aber sind bei dieser Differenzierung eines der markantesten Mittel, denn die Skizzierung ihrer Fasson genügt bereits als Anhaltspunkt dafür, mit welcher Art Kleidungsstück man es zu tun hat. Wohlgemerkt, bei etwa zwanzig verschiedenen Reversformen.


4. Golfrevers mit angeschnittener Lasche; 5. Sliponrevers

Besonders interessant ist diese kleine Reversgrammatik jetzt dadurch geworden, daß es sich allmählich als zweckmäßig erwiesen hat, für die einzelnen Reversarten nach bestimmten Namen zu suchen, durch die man sie ohne weiteres voneinander unterscheiden kann. Und zwar ganz unabhängig von dem modischen Moment, das bei den Revers selbstverständlich auch häufig wechselt - hier beispielsweise bald "Kehlrevers", bald "Bogenrevers" propagiert - und das oft genug zum charateristischen Ausdruck einer Saison geworden ist. Bei den Stilfragen aber handelt es sich um mehr.


6. Transformable Revers; 7. Französisches Phantasierevers à la Danton für Jagdjacketts

Die hier entscheidet ja nicht ein vorübergehendes Modediktat über die Form, sondern eine teils aus praktischen, teils aus ästhetischen Ansprüchen entwickelte Logik, durch die man für die Revers zunächst zu einer Einteilung in fünf Gruppen kommt. Deutlich unterscheiden sich da voneinander: die fallenden Revers, die steigenden Revers, die transformablen Revers, die Zwitterrevers und die Phantasie- oder Spezialrevers. Und alle diese fünf Gruppen haben nun wieder ihre verschiedenen Variationen. Selbst die an sich so einfach konstruierten fallenden Revers.
Je nachdem nämlich ihre Kanten eckig verlaufen oder abgerundet sind, spricht man hier jetzt von Kerb- oder Kurvenrevers (in der Damenmode "Cupidorevers"), wobei man jene mehr für die längeren Formen, diese mehr für die höher geschlossenen Sakkos vorsieht. Daneben hat sich dann das nur in der Taille geschlossene Dreiknopfjackett auch noch die Rollrevers reserviert. Und nicht ganz unwichtig ist bei den fallenden Revers auch der Winkelgrad, in dem sich Kragen und Aufschlag treffen. Denn für die Mayerlingform, die man jetzt - als Resonanz gewissermaßen auf die transformablen Kragen des modernen Norfolks - hier und da bei dem Einreiher zu sehen bekommt, schneidet man die Reverskerbe mit Überlegung nicht, wie vorwiegend beim Zweiknopfsakko, rechtwinklig, sondern spitzwinklig ein, was dann auch den Verlauf der Spiegelnaht beeinflußt. Sie bildet nun hier nämlich nicht die gestreckte Fortsetzung des unteren Kerbschenkels, sondern ist im sogenannten "Knizerevers" nch oben umgebrochen.


8. Englische Phantasierevers für den Campusstil

Beim zweireihigen Revers ist für die stilistische Bewertung in erster Linie wesentlich, daß Kragen und Spitze des Aufschlags tadellos aneinander passen, ohne jeden Zwischenraum. Die Spitzen dürfen andererseits auch nicht zu weit über die Kragenbreite hinausgehen. Und was ihren Neigungswinkel anbetrifft, so entscheidet hierüber die Knopffront des Sakkos, der sich bei einer Trapezstellung wie beim Kentsakko natürlich auch eine prononciertere Tendenz für seine Reversspitzen leisten kann, wie bei einer Knopfstellung, deren Basis ein Rechteck ist. Sehr wesentlich ist hier schließlich aber auch noch die Lage des Einschnitts. Ist sie zu hoch, wirkt das Revers maniriert, ist sie zu tief, so verstößt das gegen die Technik. Denn einigermaßen wenigstens sollte auch hier der Grundsatz gewahrt werden, daß die Länge des Kragens, soweit man nicht zu Phantasieformen übergeht, eigentlich bestimmt wird von der Halsgrube. Sehr nachdrücklich beachtet werden muß diese Forderung jedenfalls von den sogenannten transformablen Revers, also von dem Ulsterrevers, dem torsoartigen Sliponrevers und neuerdings auch dem schlanken "Campusrevers", denn hier soll ja gegebenfalls der Kragen überall geschlossen werden können, und da wäre es nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern auch sinnlos, wenn der schließende Knopf infolge eines zu lang heruntergezogenen Kragens - wie man das häufig sieht - zu tief liegen würde. Das gilt auch für die POW-Revers, nämlich für die Revers des Tweedraglans in der Prince-of-Wales-Fasson, die sich, um vielseitiger verwendet werden zu können, zum einreihigen Schnitt Ulsterrevers zugelegt hat, in einer Zwitterform also, wie sie ähnlich auch für Revers des Ulsterpaletots üblich ist.


9. Bis zum Tascheneinschnitt laufende "Kentrevers"; 10. Steigende Revers in einreihiger Form (Cutrevers)

Denn um diesem Mantel eine Art Universalcharakter zu geben, dürfen seine Revers ja weder zu salopp noch zu elegant sein, weswegen man sie eben waagerecht einschneidet und den Aufschlag außerdem kaum über die Kragenbreite hinausgehen läßt. Das ist dann natürlich an sich eine Bastardfasson, aber da sie begründet ist, läßt man sie gelten. Ebenso wie jetzt ganz neuerdings die steigenden Revers beim einreihigen ungemusterten Tropical-Sakko mit aufgesetzten Taschen. Denn hier gilt es, einen Kompromiß zu schaffen zwischen sommerlicher Eleganz und dem farbenfreudigen, wenn auch undessinierten Beiwerk. Ein Fall allerdings, der schon in das Kapitel der Finessen gehört und ein bezeichnendes Beispiel dafür ist, daß man sich auch in der Herrenmode alles erlauben kann, wenn man es zu begründen vermag.


11. Ulsterrevers für zweireihige Mäntel; 12. Sogenannte P.O.W. Revers für einreihige Mäntel

Deshalb schreckt man denn bei den Revers jetzt auch keineswegs mehr von Phantasieformen zurück. Von ihnen aber profitieren natürlich nur die sportlichen Modelle, weil hier für die ungewohnten Konturen praktische Erwägungen maßgebend sind. Wie bei den Golfrevers mit der kleinen angeschnittenen Golflasche zum Hochschließen des Jacketts oder wie bei der modernen französischen Jagdjoppe, die ihrem sogenannten "Danton-Kragen" in einheitlichem Schnitt auch Reverscharakter gibt."


13. Waagerecht eingeschnittene Revers des Ulsterpaletots

c) Herrenjournal 2/1950


Sonntag, 5. Oktober 2008

Herrenjournal VI: Der Pendantgedanke in der Anzugszusammenstellung

"In seiner "Psychologie des eleganten Lebens" hat Balzac einmal den Grundsatz aufgestellt, daß es ein Zeichen von schlechtem Geschmack sei, wenn man in seinem Anzug mehr als zwei Farben zur Geltung kommen lasse. Das war zur Zeit des Bürgerkönigtums, und in der damaligen Zeit richtete man sich noch nach den Thesen der britischen Beaus, die so etwas wie eine asketische Eleganz gepredigt. Wie ein lapidares Gesetz hat man diese Auffassung länger als ein Säkulum befolgt. Und als man nach der Jahrhundertwende zum erstenmal dem modischen Beiwerk ein größeres Interesse entgegenbrachte, da mußte auch dieses sich ganz dem Balzacschen Axiom anpassen.

So kam damals ganz unwillkürlich der "Pendantgedanke" in die Herrenmode. Denn nachdem nun Hemd und Krawatte, Socken, Taschentuch und Schal nicht mehr auf die nivellierenden Töne angewiesen waren, ergab es sich von selbst, daß man sehr häufig wenigstens zwei dieser Attribute in derselben Farbe hielt, um ja nicht den Eindruck einer geschmacklosen Koloristik aufkommen zu lassen. Fast selbstverständlich war es nun für den gutangezogenen Mann geworden, daß er sich aus der Schublade, in der die Socken nach Farben geordnet waren, nur ein Paar herausnahm, das farblich mit der jeweiligen Tageskrawatte harmonierte, und ähnlich war es dann auch, als man den Oberhemden die Rolle des farbigen Akzents zugestand, und sich für sie nun nach Taschentüchern mit entsprechenden Kanten umsah.

Das waren so die elementarsten Anfänge der modischen Pendanttheorie. Inzwischen aber sind hier unter dem Einfluß der immer lebhafter werdenden Herrenkleidung die Kombinationsmöglichkeiten dieser Art wesentlich größer und dementsprechend diffiziler geworden.

Denn auch den Hüten steht ja jetzt eine ganz ansehnliche Farbskala zur Verfügung, immer häufigr stellt man nun Jackett und Beinkleid in verschiedenen Farben zusammen, eingeschaltet haben sich vielfach auch die Pullover, deren Beispiel neuerdings mit allerlei Phantasiestoffen die Westen folgten, und gleichberechtigt mitspielen wollen nun vor allem ja auch wieder, seit die reduzierte Hosenlänge ihnen das gestattet, die Socken und Strümpfe. Ja selbst so diskrete Attribute wie die Träger haben nun auf einmal ihren modischen Ehrgeiz entdeckt, und sie sind dabei manchmal beinahe schon so anspruchsvoll in Farbe und Muster wie die Krawatten.

Da muß man wirklich schon mit einiger Überlegung disponieren, wenn man Disharmonien vermeiden will. Denn neben einem Ausgleich in der Farbe gilt es ja nun auch noch mit den Dessins und Motiven des Beiwerks möglichst sparsam zu operieren, um eine geschmackvolle Ausgeglichenheit zu schaffen.



Das ist nun bei so vielerlei Attributen keineswegs so einfach, zumal auch für die Anzüge selbst - angeregt durch die Distriktchecks oder die Glenchecks - ausdrucksvolle Muster immer häufiger werden. Wenn man sich da nicht bei diesen oder jenen Details auf Unis beschränken will, muß man also unwillkürlich das in der Anzugszusammenstellung besonders hervortretende Dessin hier oder da auch noch ein zweites Mal verwenden. Dafür gibt es sehr viel mehr Koppelungen, als man im allgemeinen annimmt. Denn für eine passende Bindung hat man ja meistens unter sehr verschiedenen Garderobeartikeln die Auswahl. Voraussetzung für Attribute, die man durch gleichartige Dessins miteinander paaren will, ist nur, daß sie nicht unmittelbar aneinander grenzen. So kann man das Muster eines Hemdes - wie zum Beispiel neuerdings das Fischgrat - entweder beim Beinkleid, bei der Socke oder auch im Taschentuch wiederholen. Ebenso gibt es - etwa für Pepitas und Rauten - eine Verwandschaft zwischen Westen oder Pullovern und Strümpfen. Am meisten aber läßt sich - wenn man von der rein farblichen Harmonie zwischen Hut und Krawatte, Hut und Beinkleid oder Hut und Taschentuch absieht - der Pendantgedanke zwischen Krawatte und Socke verwirklichen, denn diese beiden Attribute haben die größte Möglichkeit für ausdrucksvollste Motive. Will man bei ihnen diese Chance ausnutzen, muß man hier umwillkürlich für beide auf dasselbe Dessin abkommen. Denn wie stillos würde es da wirken, wenn man beispielsweise einer Krawatte mit kultivierten kleinen Figuren oder duftigen Polkapunkten einen schweren Rautenstrumpf attachieren würde. So ist denn die Mode in der letzten Zeit recht bedacht darauf gewesen, die neuen Muster auch im Hinblick auf den Pendantgedanken zu entwickeln. Als erste Verbindung gab es da die Querbalken, dann folgten beinahe noch betonter, die Rauten und Argyllkaros und auf diesem Wege eröffnen sich nun unter anderem weitere Perspektiven durch die sparrenartigen Titanenstreifen, von denen sich in der amerikanischen Mode sogar die Hosenträger bestechen lassen, so daß dieses Motiv nun nicht nur in einem Duett, sondern sogar in einem Trio aufklingen kann."

(c) Herrenjournal 3/1950

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Herrenjournal V: Der Windsorkragen beherrscht die Herrenmode

"Wie nach dem ersten Weltkriege, wie damals nämlich, als der Westenausschnitt erheblich größer wurde und somit auf der Brust Muster im Hemd genügend zur Geltung kommen konnten, spielt auch heute wieder das Herrenhemd entschieden eine primäre Rolle in der Anzugs-Zusammenstellung. Denn sehr oft hängt es von ihm ab, ob ein Sakko einen modischen Eindruck macht oder nicht.

Und dabei hat man nun mehr und mehr die Feststellung machen können, daß entscheidend hierfür hauptsächlich die Form des Kragens ist.

Was hat man an ihm früher nur herumlaboriert. Hier waren die Spitzen lang und flatternd, dort kurz kupiert, bald verliefen die Schenkel konvex, bald konkav; und ganz unterschiedlich war dazu auch noch der Winkelausschnitt für den Knoten der Krawatte. Es war eine verwirrende Auswahl, ein stetes Sorgenkind für den Herrenausstatter, der all' diese Formen in jeder Größe vorrätig haben mußte, verwirrend aber vor allen Dingen für den, der hier die Auswahl für sich selbst zu treffen hatte. Bis sich dann durch einen Zufall immer mehr ein Modell in den Vordergrund schieben konnte mit so charakteristischen Konturen, das einen ganz neuen Männertyp zu repräsentieren schien, wer sich mit ihm zeigte. Und das kam so:

Halbsportliches Hemd mit ausgeprägtem Bandstreifen;  Handgewebtes Sporthemd  mit gewagtem, aber sehr apartem Karomuster; Handgewebtes rein wollenes tomatenfarbenes Skihemd mit eingearbeiteten Figuren. Auch für diese sportlichen Hemden - hergestellt von der betont modischen Herrenwäschefabrik  O t t o  Ho f f ma n n ,  S a a r b r ü c k e n  - ist wegen der stärker auftragenden Sportkrawatten der sperrende Kragen gewählt.

Bis etwa in die Mitte der dreißiger Jahre war als Gesellschaftskragen in der Herrenkleidung allein der sogenannte Klappenkragen anerkannt. Nicht nur für den Frack und Smoking war er Vorschrift, sondern auch für den Cut. Als dann aber das Dinnerjackett in der zwangloseren zweireihigen Front modern wurde und sich für den zu selten verwendeten Cut als Ersatz immer mehr der sogenannte "kleine Stresemann" durchgesetzt - der schwarze Konferenzsakko mit grauem Beinkleid -, da erschien den meisten Herren ein so seriöser Kragen für die kleineren gesellschaftlichen Gelegenheiten nicht nur zu offiziell, er war ihnen hier auch zu unbequem.

Da man aber jetzt zum zweireihigen Smoking sowie zum kleinen Gesellschaftsanzug ein Hemd mit weicher Brust vorzog, ließ es sich schließlich begründen, wenn man hier statt des Klappenkragens den Umlegekragen wählte, so neuartig die Zusammenstellung - besonders beim Dinnerjackett - auch wirkte.

Natürlich aber mußte es stets ein steifer Umlegekragen sein, und da stellte sich nun folgendes heraus: Bei der sehr niedrigen Form, die die Kragen damals besaßen, hatte, wenn man zum Gesellschaftsanzug einen Langbinder trug, der Knoten desselben meist nicht den richtigen Halt. Er begann sich zu lockern, und man bekam den Kragenknopf zu sehen. Dem mußte man natürlich auf alle Fälle begegnen. Bei der üblichen Bindeweise der Krawatte war das aber nicht möglich. Man mußte ihren Knoten vielmehr fester verankern. Das geschah dann auch, und zwar durch einen Doppelknoten. Dieser nahm sich aber selbstverständlich ziemlich volumnös aus, und der Ausschnitt des Kragens war für ihn nun nicht mehr weit genug. So mußte man diesen flotter wegspreizen. Und das tat man, damit der gehaltvolle Knoten nicht eingeengt wurde, in einem Winkel von 90 Grad.

Das cremefarbene Hemd mit Manschetten und gleichem Kragen ist immer noch das elegante Standardhemd für den halboffiziellen Zweireiher, für den die Stoffmuster ein neues interessantes Dessin von  C a r l  E l l i n g ,  B e r l i n ,  in zwei verschiedenfarbigen Varianten zeigen.

Dem Gesicht gab diese Form, wie gesagt, ein völlig verändertes Aussehen. Nur wenige Herren waren es daher zunächst, die sich trauten, diese Mode mitzumachen. Aber dann sah man vielfach mit diesem Kragen des englischen Königs jüngsten Bruder, der zu den elegantesten Herren der englischen Gesellschaft gehörte und seit seiner Verheiratung mit der schönen Prinzessin Marina von Griechenland den Namen eines Herzog von Kent führte, so daß die Modeexperten damals nach ihm auch diese neuartige Kragenform benannten. Natürlich trug sie auch aus Tradition der mit der Herrenmode eng verbundene britische König. Und als er dann nach seiner Abdankung als Herzog von Windsor mit den Amerikanern in engere Berührung kam, wurde der so betont modisch wirkende Kragen nun immer populärer. Die Modegazetten der USA ließen sich eingehend über die neue Bindemethode der zugehörigen Krawatte aus. Dabei sprachen sie dann ständig von dem Windsorknoten, und so übertrug man diesen Namen unwillkürlich auch auf die Kragenform, ohne die er nicht denkbar war.

Gerade als man sich auch in Deutschland für dieses neue Kragenmodell zu interessieren begann, brach der Krieg aus, und man hatte bald in der Wäscheindustrie andere Sorgen. Trotzdem nun aber inzwischen mehr als ein Dezennium vergangen, ist dieser Kragen auch heute noch in der Weltmode der Favorit seiner Gattung. Ja sogar selbst bei den sportlichen Hemden gewinnt er mehr und mehr an Boden. Auch bei ihnen wird jetzt - zumal sie ja meist mit Krawatten aus auftragendem Material liiert sind - häufig schon der Ausschnitt für den Knoten weit ausgespart, manchmal sogar noch mehr als in dem hierfür charakteristisch gewordenen rechten Winkel, so daß Fachkreise im Ausland dann von einer 'Spreadform' sprechen."


(c) Herrenjournal 3/1950