Sonntag, 5. Oktober 2008

Herrenjournal VI: Der Pendantgedanke in der Anzugszusammenstellung

"In seiner "Psychologie des eleganten Lebens" hat Balzac einmal den Grundsatz aufgestellt, daß es ein Zeichen von schlechtem Geschmack sei, wenn man in seinem Anzug mehr als zwei Farben zur Geltung kommen lasse. Das war zur Zeit des Bürgerkönigtums, und in der damaligen Zeit richtete man sich noch nach den Thesen der britischen Beaus, die so etwas wie eine asketische Eleganz gepredigt. Wie ein lapidares Gesetz hat man diese Auffassung länger als ein Säkulum befolgt. Und als man nach der Jahrhundertwende zum erstenmal dem modischen Beiwerk ein größeres Interesse entgegenbrachte, da mußte auch dieses sich ganz dem Balzacschen Axiom anpassen.

So kam damals ganz unwillkürlich der "Pendantgedanke" in die Herrenmode. Denn nachdem nun Hemd und Krawatte, Socken, Taschentuch und Schal nicht mehr auf die nivellierenden Töne angewiesen waren, ergab es sich von selbst, daß man sehr häufig wenigstens zwei dieser Attribute in derselben Farbe hielt, um ja nicht den Eindruck einer geschmacklosen Koloristik aufkommen zu lassen. Fast selbstverständlich war es nun für den gutangezogenen Mann geworden, daß er sich aus der Schublade, in der die Socken nach Farben geordnet waren, nur ein Paar herausnahm, das farblich mit der jeweiligen Tageskrawatte harmonierte, und ähnlich war es dann auch, als man den Oberhemden die Rolle des farbigen Akzents zugestand, und sich für sie nun nach Taschentüchern mit entsprechenden Kanten umsah.

Das waren so die elementarsten Anfänge der modischen Pendanttheorie. Inzwischen aber sind hier unter dem Einfluß der immer lebhafter werdenden Herrenkleidung die Kombinationsmöglichkeiten dieser Art wesentlich größer und dementsprechend diffiziler geworden.

Denn auch den Hüten steht ja jetzt eine ganz ansehnliche Farbskala zur Verfügung, immer häufigr stellt man nun Jackett und Beinkleid in verschiedenen Farben zusammen, eingeschaltet haben sich vielfach auch die Pullover, deren Beispiel neuerdings mit allerlei Phantasiestoffen die Westen folgten, und gleichberechtigt mitspielen wollen nun vor allem ja auch wieder, seit die reduzierte Hosenlänge ihnen das gestattet, die Socken und Strümpfe. Ja selbst so diskrete Attribute wie die Träger haben nun auf einmal ihren modischen Ehrgeiz entdeckt, und sie sind dabei manchmal beinahe schon so anspruchsvoll in Farbe und Muster wie die Krawatten.

Da muß man wirklich schon mit einiger Überlegung disponieren, wenn man Disharmonien vermeiden will. Denn neben einem Ausgleich in der Farbe gilt es ja nun auch noch mit den Dessins und Motiven des Beiwerks möglichst sparsam zu operieren, um eine geschmackvolle Ausgeglichenheit zu schaffen.



Das ist nun bei so vielerlei Attributen keineswegs so einfach, zumal auch für die Anzüge selbst - angeregt durch die Distriktchecks oder die Glenchecks - ausdrucksvolle Muster immer häufiger werden. Wenn man sich da nicht bei diesen oder jenen Details auf Unis beschränken will, muß man also unwillkürlich das in der Anzugszusammenstellung besonders hervortretende Dessin hier oder da auch noch ein zweites Mal verwenden. Dafür gibt es sehr viel mehr Koppelungen, als man im allgemeinen annimmt. Denn für eine passende Bindung hat man ja meistens unter sehr verschiedenen Garderobeartikeln die Auswahl. Voraussetzung für Attribute, die man durch gleichartige Dessins miteinander paaren will, ist nur, daß sie nicht unmittelbar aneinander grenzen. So kann man das Muster eines Hemdes - wie zum Beispiel neuerdings das Fischgrat - entweder beim Beinkleid, bei der Socke oder auch im Taschentuch wiederholen. Ebenso gibt es - etwa für Pepitas und Rauten - eine Verwandschaft zwischen Westen oder Pullovern und Strümpfen. Am meisten aber läßt sich - wenn man von der rein farblichen Harmonie zwischen Hut und Krawatte, Hut und Beinkleid oder Hut und Taschentuch absieht - der Pendantgedanke zwischen Krawatte und Socke verwirklichen, denn diese beiden Attribute haben die größte Möglichkeit für ausdrucksvollste Motive. Will man bei ihnen diese Chance ausnutzen, muß man hier umwillkürlich für beide auf dasselbe Dessin abkommen. Denn wie stillos würde es da wirken, wenn man beispielsweise einer Krawatte mit kultivierten kleinen Figuren oder duftigen Polkapunkten einen schweren Rautenstrumpf attachieren würde. So ist denn die Mode in der letzten Zeit recht bedacht darauf gewesen, die neuen Muster auch im Hinblick auf den Pendantgedanken zu entwickeln. Als erste Verbindung gab es da die Querbalken, dann folgten beinahe noch betonter, die Rauten und Argyllkaros und auf diesem Wege eröffnen sich nun unter anderem weitere Perspektiven durch die sparrenartigen Titanenstreifen, von denen sich in der amerikanischen Mode sogar die Hosenträger bestechen lassen, so daß dieses Motiv nun nicht nur in einem Duett, sondern sogar in einem Trio aufklingen kann."

(c) Herrenjournal 3/1950

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