Montag, 13. Oktober 2008

Herrenjournal VIII: Der Gesellschaftssakko für den Tag und Abend

"Bei einem ausländischen Konsul fand sich kürzlich um die Teestunde eine kleine auserlesene Gesellschaft zusammen. Im Nebenzimmer waren schon die Bridgetische aufgeschlagen, und nach dem lezten Robber wurde noch einmal auf Serviertischen ein kaltes Buffet hereingerollt. Unter den Herren aber entspann sich jetzt eine angeregte Diskussion über das Thema: "Wer hat nun eigentlich von uns den richtigen Anzug an?" Denn da waren vertreten: Ein brauner und ein dunkelblauer Zweireiher, ein einreihiger Marengo-Sakko mit grauem Beinkleid und sogar ein Smoking.
Der Herr mit der Cuthose berief sich darauf, daß er nicht angenommen habe, die Einladung würde sich auch noch auf einen Abendimbiß erstrecken. Der Südländer rechtfertigte sein Dinnerjackett damit, daß ja schon die Lichter gebrannt hätten, als er auf die Hausklingel gedrückt habe. Die Herren im Zweireiher aber nahmen den Standpunkt ein, daß für solche Parties, deren Ende man vorher nie genau abzuschätzen weiß, weder gesellschaftliche Tages-Sakko in Betracht käme noch ein offizieller Abendanzug, durch den man möglicherweise die Gastgeber leicht in Verlegenheit bringen könnte. Für sie war darum der dunkle einheitliche Sakko, ergänzt durch eine diskret gemusterte Schleife, der einzig richtige Anzug für eine Gelegenheit dieser Art. Und man ließ sich denn auch von ihnen überzeugen.
Für den Sakko mit gesellschaftlichem Charakter gibt es aber heute noch eine ganze Anzahl von anderen Verwendungsmöglichkeiten, und so ist er jetzt zweifellos zu einem wichtigen Bestandteil in der Garderobe des Herrn geworden.
Über seinen Stil aber herren noch immer mancherlei Meinungsverschiedenheiten, so daß hier einmal einige Fragen geklärt werden müssen.

Zunächst folgendes: Der Gesellschaftssakko soll ja ebenso am Tage an Stelle des Cuts wie am Abend als Smokingersatz verwendet werden. Verlangt man nun von einem Anzug, daß er beiden Situationen gerecht wird, dann gibt es hier gar keine andere Lösung als die, Jackett und Beinkleid aus gleichem Stoff zu fertigen. Denn die graue Hose ist am Abend immer deplaciert, genau so wie der Cut selbst; andererseits aber geht es bei gesellschaftlichen Tagesveranstaltungen auch einmal ohne graues Beinkleid. Die Fasson des Sakkos - ob einreihig oder zweireihig - hat demgegenüber nur geringe Bedeutung. Will man jedoch bei dieser Anzugsgattung deutlich einen Trennungsstrich machen zwischen Tages- und Abendkleidung, dann stehen sich hier folgende Modelle gegenüber: Bis zum Nachmittag der Einreiher - natürlich mit steigendem Revers -, kombiniert durch das graue Beinkleid. Und für den Tagesausklang der komplette Zweireiher mit Tiefknopfstellung, wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem Schnitt des modernen Smokings.




Dazu wäre im einzelnen noch folgendes zu sagen: Die Mode ist augenblicklich zwart wieder sehr an der zweireihigen Phantasieweste interessiert, dennoch sollte zum einreihigen Gesellschafts-Sakko, da man sich nicht überall einen so prononcierten Akzent leisten kann, stets auch eine Weste aus gleichem Material wie das Jackett mitbestellt werden. In der Regel wird diese Weste wohl ebenfalls eine einreihige Fasson haben und dann nach der letzten Parole mit drei Knöpfen sichtbar sein, da man sich in diesem Fall an die nur zweiknöpfige Sakkofront hält. Mit dem gestreiften Beinkleid zusammen gibt das dann eine distinguierte, wenn auch sehr ruhige Kombination. Eleganter wirkt dieser einreihige Vertreter des Cuts allerdings, wenn man ihn durch eine zweireihige Weste ergänzt. Ihr muß man aber, will man die zweireihige Sakkofront beibehalten, schon einen recht breiten und langen Umschlag im englischen Geschmack geben, damit die Front nicht zu viel Überschneidungen zeigt. Auch wenn diese Weste aus dem Sakkostoff gearbeitet wird, macht sie einen sehr individuellen Eindruck. Wählt man aber für sie ein helles Material - heute Sandfarben mehr bevorzugt als Grau -, dann läßt sich auf diese Weise auch der Einreiher mit gleicher Hose als ausgesprochener Gesellschafts-Sakko verwenden. Mit dem grauen Beinkleid zusammen, für das in diesem Fall Unis und Glenchecks bevorzugt werden, hat man aber natürlich auch in dem zweireihigen Sakko einen vollwertigen offiziellen Tagesanzug. Woraus sich ergibt, daß auch hier entschieden am ratsamsten die Anschaffung eines zweireihigen Anzugs ist, den man dann gegebenfalls durch eine Phantasieweste oder ein Cutbeinkleid noch intensiver als Tagessakko herausstellen kann.

Allerlei Variationen gibt es da dann noch für das Beiwerk. Hat der Sakko die Mission des Cuts, so ist ihm nämlich für das Hemd auch ein pastellfarbener Ton - etwa ein Lachs - oder sogar eine Brust mit Querstreifen erlaubt, bei den Kragen aber rangiert am Tage wie am Abend der zwanglose Umlegekragen in der modernen Kentform gleichberechtigt neben dem korrekteren Klappenmodell, zu dem man aber den Langbinder vermeidet. Ist dieser dagegen - bei einem Umlegekragen - am Tage mit im Spiel, dann werden heute hier hellgraue und nur wenig gemusterte Krawatten den dunklen Streifendessins entschieden vorgezogen, besonders wenn die Krawatte zur dunklen Weste getragen wird.

Die korrekte Ergänzung zu diesem Gesellschafts-Sakko bildet dann der schwarze weiche Filzhut, der hier immer mehr den so lange gültigen grauen Homburg abgelöst hat. In der bordierten Form gehört er natürlich nur zum Tages-Gesellschafts-Sakko, den man heute der Unterscheidung wegen als "Besuchsanzug" bezeichnet. Und so findet denn hier jetzt eigentlich mehr Verwendung der nicht eingefaßte schwarze Filz, der - als "Eden" bekannt geworden - für den Abend zum sogenannten "Partysakko" die allein richtige Fasson darstellt, und der sich überdies durch einen etwas breiteren Rand auch der gegenwärtigen Mode besser anpassen läßt."


(c) Herrenjournal 2/1950

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