Besonders gern wird man bei dem Reisesakko von der Mode der schrägen Seitentaschen Gebrauch machen, denen sich heute auch die Billettasche in der Richtung anpaßt. An die Stelle der Leistentasche tritt dann auch die Flaptasche - Reist man im eigenen Wagen, dann kann man sich in der Kleidung natürlich alle Freiheiten erlauben, die man für bequem hält, eine halbärmelige Buschjacke, sogar auch Shorts, und statt des Langbinders eine legere Schalkrawatte - Für alle Fälle aber wird man auch eine Wollweste bei sich haben, und was den Popelinemantel anbetrifft, so ist es praktisch, wenn er eine Billettasche hat.
So gibt es im Grunde genommen für den modernen Reisenden eigentlich keinerlei Anlaß, bei seiner Kleidung auf irgendwelche praktischen Erfahrungen Rücksicht nehmen zu müssen, wie es die ältere Generation noch für ganz selbstverständlich gehalten. Jene Zeit, wo Halbschuhe als unzweckmäßig angesehen wurden, weil der Ruß der fahrenden Lokomotive sich durch den Strumpf durchfressen konnte und man infolgedessen Stiefeletten empfahl, oder als diese aus der Mode gekommen waren, Gamaschen. Und wo man all die langen Stunden im Coupé die Handschuhe nicht auszuziehen wagte, da Fenster und Türgriffe von Station zu Staion immer mehr von der Reisepatina überzogen waren. So daß man sich natürlich auch bei dem Anzug selbst mimikriartig darauf einstellen mußte, durch Pfeffer- und Salzstoffe ebenso wie durch gedeckte Hemden. Ganz abgesehen von den anderen Ansprüchen, die sich ergaben, wenn man eine lange Fahrt vor sich hatte, auf der man, um gelegentlich eine kleine Siesta einschieben zu können, die Reisemütze für unerläßlich hielt, und was den Mantel anbetraf, seine Taschen gar nicht weiträumig genug haben konnte, damit er das zu fassen vermochte, was man - von den leckeren Sandwiches bis zur dickbändigen Lektüre - gern jederzeit zur Hand haben wollte, ohne erst umständlich mit dem 'Suitecase' hin und her jonglieren zu müssen.
Da sind vor allen Dingen, unabhängig von ihrer modischen Wertung, die schrägen Seitentaschen, deren praktischen Sinn man immer mehr zu schätzen weiß. Nur selten bleibt ja der Platz neben einem frei, und wenn man da in enger Tuchfühlung sitzt und sich nicht so recht rühren kann, ist es immer unbequem, wenn man in regulären Seitentaschen etwas suchen muß. Auch auf die äußere Billettasche wird man nicht gern verzichten wollen, denn für kleine Scheidemünzen und Tabletten braucht man sie ja wirklich, auh wenn man in der großen Tasche das übliche Sonderfach hat. Sehr zu statten kommt einem dann weiter, wenn die rechte innere Brusttasche durch Reißverschluß gesichert werden kann, damit es grundsätzlich ausgeschlossen ist, daß einem die Brieftasche mit Fahrschein und Ausweispapieren abhanden kommt. Diese Forderung sollte endlich einmal von Maßschneiderei und Bekleidungsindustrie generell befolgt werden, wobei zu beachten wäre, daß die Tiefe der Tasche mindestens 18 cm betragen muß. Sonst kann man die Brieftasche nicht restlos verschwinden lassen und auch die Anbringung eines Reißverschlusses wäre dann sinnlos.
Nachdem man nun wieder Westen trägt, sollte man jetzt ferner die Gelegenheit wieder wahrnehmen, auch hier innere Brusttaschen anbringen zu lassen und zwar mit zuknöpfbarer Klappe. Denn sie können einem als Safe für ein paar Reservebanknoten gute dienste leisten. Bei dieser Gelegenheit sei auch wieder einmal auf die Tattersallweste aufmerksam gemacht, weil sie ganz besonders gut den Reisestil trifft und man sich mit ihr auch bei einem korrekt gearbeiteten Anzug diesem Milieu meist ohne weiteres anpassen kann, Das wird vornehmlich für die Gesellschaftsreisen im Autobus gelten, wo man ja im allgemeinen nur ein beschränktes Gepäck mitnehmen kann. Da könnte es nämlich durchaus der Fall sein, daß man die sportlichere Garnitur einpackt, weil sie eher zerdrückt werden kann, und daß man infolgedessen unterwegs den städtischen Anzug trägt.
Bei jeder Art von Reisen ist es wichtig, daß man - auch bei enger Tuchfühlung - bequem an den Inhalt seiner Taschen herankommt. Infolgedessen setzen sich hier mehr und mehr jene 'Sandwichtaschen' durch, bei denen die oberen Taschen einen schrägen durch Reißverschluß geschützten Eingriff haben - Ist man aus irgendeinem Grunde genötigt, in einem seriösen Anzug zu reisen, so kann man sich trotzdem dem Reisemilieu dadurch anpassen, daß man ihn durch eine Pepitaweste ergänzt - Für dieSommermonate gilt als besonders geeigneter Reisemantel der durchgeknöpfte imprägnierte Tweedraglan - Da das Mitführen eines Hutkoffers den meisten Herren heute zu umständlich erscheint, ist es am praktischsten, wenn man sich einen Schnittrandhut mit hochgestelltem Rand aufsetzt, der ebenso zur Reisebekleidung paßt wie auch zum korrekten Anzug.
Nur wer im eigenen Wagen fährt, kann wohl auch einmal nach eigener Fasson sein Reisehabit zusammenstellen, sich in einer Buschjacke mit halben Ärmeln ans Steuer setzen und selbst sogar nur in Shorts, da er ja auf niemanden Rücksicht zu nehmen braucht."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen