Donnerstag, 2. Oktober 2008

Herrenjournal V: Der Windsorkragen beherrscht die Herrenmode

"Wie nach dem ersten Weltkriege, wie damals nämlich, als der Westenausschnitt erheblich größer wurde und somit auf der Brust Muster im Hemd genügend zur Geltung kommen konnten, spielt auch heute wieder das Herrenhemd entschieden eine primäre Rolle in der Anzugs-Zusammenstellung. Denn sehr oft hängt es von ihm ab, ob ein Sakko einen modischen Eindruck macht oder nicht.

Und dabei hat man nun mehr und mehr die Feststellung machen können, daß entscheidend hierfür hauptsächlich die Form des Kragens ist.

Was hat man an ihm früher nur herumlaboriert. Hier waren die Spitzen lang und flatternd, dort kurz kupiert, bald verliefen die Schenkel konvex, bald konkav; und ganz unterschiedlich war dazu auch noch der Winkelausschnitt für den Knoten der Krawatte. Es war eine verwirrende Auswahl, ein stetes Sorgenkind für den Herrenausstatter, der all' diese Formen in jeder Größe vorrätig haben mußte, verwirrend aber vor allen Dingen für den, der hier die Auswahl für sich selbst zu treffen hatte. Bis sich dann durch einen Zufall immer mehr ein Modell in den Vordergrund schieben konnte mit so charakteristischen Konturen, das einen ganz neuen Männertyp zu repräsentieren schien, wer sich mit ihm zeigte. Und das kam so:

Halbsportliches Hemd mit ausgeprägtem Bandstreifen;  Handgewebtes Sporthemd  mit gewagtem, aber sehr apartem Karomuster; Handgewebtes rein wollenes tomatenfarbenes Skihemd mit eingearbeiteten Figuren. Auch für diese sportlichen Hemden - hergestellt von der betont modischen Herrenwäschefabrik  O t t o  Ho f f ma n n ,  S a a r b r ü c k e n  - ist wegen der stärker auftragenden Sportkrawatten der sperrende Kragen gewählt.

Bis etwa in die Mitte der dreißiger Jahre war als Gesellschaftskragen in der Herrenkleidung allein der sogenannte Klappenkragen anerkannt. Nicht nur für den Frack und Smoking war er Vorschrift, sondern auch für den Cut. Als dann aber das Dinnerjackett in der zwangloseren zweireihigen Front modern wurde und sich für den zu selten verwendeten Cut als Ersatz immer mehr der sogenannte "kleine Stresemann" durchgesetzt - der schwarze Konferenzsakko mit grauem Beinkleid -, da erschien den meisten Herren ein so seriöser Kragen für die kleineren gesellschaftlichen Gelegenheiten nicht nur zu offiziell, er war ihnen hier auch zu unbequem.

Da man aber jetzt zum zweireihigen Smoking sowie zum kleinen Gesellschaftsanzug ein Hemd mit weicher Brust vorzog, ließ es sich schließlich begründen, wenn man hier statt des Klappenkragens den Umlegekragen wählte, so neuartig die Zusammenstellung - besonders beim Dinnerjackett - auch wirkte.

Natürlich aber mußte es stets ein steifer Umlegekragen sein, und da stellte sich nun folgendes heraus: Bei der sehr niedrigen Form, die die Kragen damals besaßen, hatte, wenn man zum Gesellschaftsanzug einen Langbinder trug, der Knoten desselben meist nicht den richtigen Halt. Er begann sich zu lockern, und man bekam den Kragenknopf zu sehen. Dem mußte man natürlich auf alle Fälle begegnen. Bei der üblichen Bindeweise der Krawatte war das aber nicht möglich. Man mußte ihren Knoten vielmehr fester verankern. Das geschah dann auch, und zwar durch einen Doppelknoten. Dieser nahm sich aber selbstverständlich ziemlich volumnös aus, und der Ausschnitt des Kragens war für ihn nun nicht mehr weit genug. So mußte man diesen flotter wegspreizen. Und das tat man, damit der gehaltvolle Knoten nicht eingeengt wurde, in einem Winkel von 90 Grad.

Das cremefarbene Hemd mit Manschetten und gleichem Kragen ist immer noch das elegante Standardhemd für den halboffiziellen Zweireiher, für den die Stoffmuster ein neues interessantes Dessin von  C a r l  E l l i n g ,  B e r l i n ,  in zwei verschiedenfarbigen Varianten zeigen.

Dem Gesicht gab diese Form, wie gesagt, ein völlig verändertes Aussehen. Nur wenige Herren waren es daher zunächst, die sich trauten, diese Mode mitzumachen. Aber dann sah man vielfach mit diesem Kragen des englischen Königs jüngsten Bruder, der zu den elegantesten Herren der englischen Gesellschaft gehörte und seit seiner Verheiratung mit der schönen Prinzessin Marina von Griechenland den Namen eines Herzog von Kent führte, so daß die Modeexperten damals nach ihm auch diese neuartige Kragenform benannten. Natürlich trug sie auch aus Tradition der mit der Herrenmode eng verbundene britische König. Und als er dann nach seiner Abdankung als Herzog von Windsor mit den Amerikanern in engere Berührung kam, wurde der so betont modisch wirkende Kragen nun immer populärer. Die Modegazetten der USA ließen sich eingehend über die neue Bindemethode der zugehörigen Krawatte aus. Dabei sprachen sie dann ständig von dem Windsorknoten, und so übertrug man diesen Namen unwillkürlich auch auf die Kragenform, ohne die er nicht denkbar war.

Gerade als man sich auch in Deutschland für dieses neue Kragenmodell zu interessieren begann, brach der Krieg aus, und man hatte bald in der Wäscheindustrie andere Sorgen. Trotzdem nun aber inzwischen mehr als ein Dezennium vergangen, ist dieser Kragen auch heute noch in der Weltmode der Favorit seiner Gattung. Ja sogar selbst bei den sportlichen Hemden gewinnt er mehr und mehr an Boden. Auch bei ihnen wird jetzt - zumal sie ja meist mit Krawatten aus auftragendem Material liiert sind - häufig schon der Ausschnitt für den Knoten weit ausgespart, manchmal sogar noch mehr als in dem hierfür charakteristisch gewordenen rechten Winkel, so daß Fachkreise im Ausland dann von einer 'Spreadform' sprechen."


(c) Herrenjournal 3/1950

3 Kommentare:

  1. hi, danke für diesen beitrag, war sehr interessant und informativ. schöne grüße, tamara

    AntwortenLöschen
  2. Hemdkragen sind wieder sehr angesagt, cooler beitrag, da kann ich mich nur anschließen!

    AntwortenLöschen
  3. und ich wusste gar nicht, dass man so viel über den Hemden sagen kann, interessant auf jedem Fall

    AntwortenLöschen