Donnerstag, 25. September 2008

Über die Folgen der Anonymität

"[...] Nun kommt das Aber, das große Aber der perikleischen Zeit. Aber als Masse hatten sie [die Athener] sich verändert. Früher war man eine Art Burggemeinschaft gewesen, ein stabiles Gefüge; jetzt war man eine Großstadt, mit einem riesigen Proletariat, labil, unüberschaubar, anonym. Wo einst der Schuster in der Gasse gesessen und die Sandalen des Herrn Kleophanes oder Psephon genäht hatte, da saßen jetzt zehn Gesellen wie an einem Fließband; der eine schnitt nur noch die Sohlen zu, der andere die Riemen, der dritte nähte, der vierte färbte die Schuhe ein, der fünfte trug sie zum Markt. Den Schuh hatte 'niemand' gemacht, so wie nun auch die Politik 'niemand' gemacht hatte. Und keiner erfuhr je, wer den Schuh trug. Man lieferte dem Meister kein Werk mehr, man lieferte ihm Arbeitsstunden. Man wohnte auch nicht mehr bei ihm; man empfing seinen Lohn und ging."

Joachim Fernau über die Gründe des Niedergangs des perikleischen Athens aus "Rosen für Apoll"

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