Freitag, 26. September 2008
Die Goldenen Zwanziger
Donnerstag, 25. September 2008
Herrenjournal II: Der Einreiher ist wieder Favorit
Dies um so mehr, weil der Einreiher in dieser Form inzwischen immer häufiger auch auf dem Kontinent wieder in Erscheinung trat. Hier war es vor allem Paris, das sich für ihn interessierte. Aus einem anderen Grunde aber als die Yankees. Denn dem Bonvivant der Seinestadt gab dieser Sakko die Möglichkeit, erneut in der Anzugszusammenstellung auch die Phantasieweste mitsprechen zu lassen, für die man dort von jeher ein Faible gehabt.
Und da gab es da noch einen anderen wichtigen Punkt, der auch dafür sprach, den Einreiher wieder stärker konkurrieren zu lassen mit dem Zweireiher: Für das Dinnerjackett hatte man sich inzwischen fast allgemein für die zweireihige Form entschieden, weil diese wegen der fehlenden attraktiven Weste für den zwanglosen Umlegekragen und die halbsteife Hemdbrust geeigneter war als der einreihige Smoking.
Um sich von dieser Smokingform möglichst wenig zu unterscheiden, wurde dann auch für den Gesellschaftssakko immer mehr der zweireihige Schnitt gewählt. So kam der Zweireiher vorübergehend zu einer unbedingten Vormachtsstellung, gegen die man sich aber allmählich aufzulehnen begann, weil sie eine gewisse Monotonie zur Folge gehabt hätte. Ihr begegnet man also nun durch eine stärkere Herausstellung des einreihigen Sakkos.
Ein neues Moment für den einreihigen Sakko bringt die sogenannte "Flaptasche". Sie harmoniert besonders gut mit der nun auch wieder hochgeschlossenen Front.
Mit dem gesteigerten Interesse an ihm kam natürlich nun auch der Wunsch auf, hier nach Möglichkeit zu variieren, und so fand sich bald unter den neuen Modellen der einreihigen Sakkos nicht nur die Fasson mit steigendem Revers, die man lange Zeit hindurch nur noch bei dem als Cutersatz dienenden Jackett gesehen, sondern auch - als Reagenz auf die Tiefknopffront - der oben geschlossene Dreiknopfsakko mit kurzem Revers; in Anlehnung an die Mode der achtziger Jahre, an diese Zeit, als man sich in der Herrenmode vielfach nach Wien richtete, wo der elegante Kreis der aristokratischen Lebemänner um den Thronfolger den Ton angab. Man hatte nämlich jetzt in Paris die Tragödie dieses Habsburgers mit der schönen Baronesse Vetsera auf die Bühne gebracht und durch den Erfolg, den das Stück von Jean Barré erzielt, entdeckte man nun auch, in Parallelität mit der Damenmode, sein Herz für diese sonst so unbeschwerte Zeit, indem man die damalige Anzugstendenz wieder aufleben ließ in einem Sakko à la Mayerling, genannt nach jenem unseligen Ort, wo das berühmte Liebespaar auf eine bisher noch immer unaufgeklärte Weise ums Leben gekommen.
Person rechts: An die Zweiknopffront (hier mit "Kerbrevers" à la Knize) hält man sich heute hauptsächlich dann, wenn man die Weste - in diesem Falle aus Kamelhaarmaterial gestrickt - zur Geltung kommen lassen will.
Person links: Eine neue Variante des "Paddockstils", das Modell eines Londoner Westendschneiders, mit steigendem Revers, schrägen Taschen und Ärmelaufschlägen."
(c) Herrenjournal, 1/1950
Herrenjournal I: Der hellgraue Flanellzweireiher
Dieser Beitrag startet die Serie "Herrenjournal", in der die besten Artikel, die dieses vom Freiherr von Eelking aufgelegte Magazin in den 30er und 50er Jahren zu bieten hatte, neu aufbereitet dem geneigten Leser präsentiert werden. Viele Beiträge des Herrenjournals sind nicht nur zeitgeschichtlich betrachtet eine reiche Quelle, sondern aufgrund ihrer Zeitlosigkeit auch heute von hohem informativen Wert. Den Einstieg macht dieser Beitrag aus dem Herrenjournal Nr. 5 von 1950:
Der hellgraue Flanellzweireiher
Immer zweireihig - Fünf verschiedene Fronten - Halbsportlich, aber auch korrekt - Viele Möglichkeiten für das Beiwerk.
Am meisten ist die Stellung des grauen Flanellanzuges dadurch befestigt worden, daß man sich in den nordischen Ländern, nachdem man ihn schätzen gelernt, bei ihm nicht einmal an die Saison gehalten, für die man ihn nach seinem hellen Ton zunächst bestimmt hatte. Für den Mitteleuropäer war das etwas Ungewöhnliches. Er konnte da noch gar nicht von der Vorstellung loskommen, daß man einen so sommerlich wirkenden Anzug auch an kalten Tagen tragen könnte. Aber in der Folgezeit hat man dann - wobei besonders das Beispiel der Schweden viel beitrug - gelernt, diese Auffassung zu korrigieren. Und das war dann erneut ein großes Plus für diesen Sakkotyp, auch wenn man von dieser Lizenz, die die Mode ihm großzügig für den Winter erteilt, abgesehen von Skandinavien und Großbritannien nur bedingt Gebrauch machte. Auf jeden Fall aber ist immer, wenn die Sonnentage zunehmen, Jahr für Jahr auch der graue Flanellanzug mit dabei, obwohl er schon lange nicht mehr besonders erwähnt wird, wenn von der neuen Kollektion die Rede ist. Mit einer fast nachtwandlerischen Intuition greift eben der modesichere Mann doch stets auf ihn zurück, allen Verlockungen der Nouveautés zum Trotz. Und daran wird sich wahrscheinlich auch noch lange nichts ändern.
Bei einer so lang anhaltenden konservativen Einstellung gegenüber einem und demselben Stoff müßte man eigentlich annehmen, daß die Mode dann wenigstens bemüht gewesen wäre, hier durch möglichst verschiedene Modelle für Abwechslung zu sorgen. Aber auch das ist nur sehr bedingt geschehen. Denn von dem Augenblick an, in dem man sich zuerst für diesen Flanellanzug interessiert, ist auch nicht ein einziges Mal die Rede gewesen von einer einreihigen Fasson. Immer war es die doppelreihige Front, die man gewählt, wenngleich auch mit all den Variationen, die sich hier als gleichberechtigt durchgesetzt haben und für die allein der persönliche Geschmack entscheidend ist. Ob man es da mit der tiefen Knopfstellung nach Art der USA-Sakkos hält oder das ganz neue "Sechsertrapez" vorzieht, fällt jedenfalls kaum nennenswert ins Gewicht. Nur eins gilt es hier genauer zu überlegen: Soll der Flanellanzug aufgesetzte Taschen haben oder nicht? Das nämlich ist ausschlaggebend für seine Verwendungsmöglichkeiten und wird damit auch zur Stilfrage. Denn an das Beiwerk eines als Klubzweireiher gearbeiteten Jacketts ist natürlich ein anderer Maßstab anzulegen als an einen Sakko ohne jede sportliche Note.
Zum Ausdruck ist dieser Unterschied besonders gekommen, als man entdeckte, daß man den grauen Flanellanzug, wenn man sich bei ihm an den korrekten Schnitt hielt, sehr wohl auch mit einem so seriösen Hut, wie dem schwarzen Homburg kombinieren kann. Und zwar in einer Zusammenstellung, die zunächst etwas abwegig erscheint, dafür aber ihren besonderen Reiz hat. Als ein Hut, der in der letzten Zeit typisch geworden ist für das "Dinnerjackett" steht dieser "Eden" natürlich jedem Versuch, ihm ein anderes Hemd als das weiße und eine andere Krawatte als eine schwarze zu attachieren, skeptisch gegenüber. An sich wäre in dieser Beziehung auch bei dem grauen Flanellanzug, der dann besonders seriös wirken kann, nichts einzuwenden, vorausgetzt, daß man nicht auf einen steifen weißen Kragen verfällt, der dem Flanell widerspricht und daß man in dem schwarzen Langbinder irgendeinen bescheidenen farbigen Effekt sehen läßt. Aber das wäre dann immer noch die Regel. Die Mode ist jedoch nun einmal immer dann am interessantesten, wenn sie sich - natürlich unter Wahrung des guten Geschmacks - zu einem Seitensprung von der Konvention entschließt. Und in diesem Fall hat sich da nun das lachsfarbene, durch seinen versteiften Kragen immer distinguiert wirkene Hemd als Partner des schwarzen, aber nicht eingefaßten Hutes ausgedacht, mit der Bedingung, daß man ihm für diese Konzession ein durchaus ebenbürtiges Pendant zur Verfügung stellt in einem schwarzgrundigen Langbinder.
Das ergibt dann - vom Abend abgesehen - einen Anzugstyp mit geradezu gesellschaftlichen Qualitäten, als Endkombination in einer Anzugsgattung, der zur Verfügung stehen alle Formen und Farben des weichen Filzhutes, alle Strohhutmodelle und Mützen, alle Hemdendessins in jedem Ton, lebhafte Krawatten ebenso wie seriöse Schleifen und auch Schuhe in allen Formen und aus allen Lederarten, so daß man sich, besonders für die Reisezeit, wirklich keinen besseren Standardanzug denken kann als eben den grauen Flanellzweireiher.
Über die Folgen der Anonymität
"[...] Nun kommt das Aber, das große Aber der perikleischen Zeit. Aber als Masse hatten sie [die Athener] sich verändert. Früher war man eine Art Burggemeinschaft gewesen, ein stabiles Gefüge; jetzt war man eine Großstadt, mit einem riesigen Proletariat, labil, unüberschaubar, anonym. Wo einst der Schuster in der Gasse gesessen und die Sandalen des Herrn Kleophanes oder Psephon genäht hatte, da saßen jetzt zehn Gesellen wie an einem Fließband; der eine schnitt nur noch die Sohlen zu, der andere die Riemen, der dritte nähte, der vierte färbte die Schuhe ein, der fünfte trug sie zum Markt. Den Schuh hatte 'niemand' gemacht, so wie nun auch die Politik 'niemand' gemacht hatte. Und keiner erfuhr je, wer den Schuh trug. Man lieferte dem Meister kein Werk mehr, man lieferte ihm Arbeitsstunden. Man wohnte auch nicht mehr bei ihm; man empfing seinen Lohn und ging."
Joachim Fernau über die Gründe des Niedergangs des perikleischen Athens aus "Rosen für Apoll"